Überraschende Fernwirkung: Starke Erdbeben können sogar am gegenüberliegenden Ende der Erde Nachbeben auslösen, wie eine Studie jetzt enthüllt. Demnach treten solche „antipodischen Beben“ nach einem Starkbeben signifikant häufiger auf als es dem Zufall entspräche. Über welchen Mechanismus die seismischen Wellen allerdings diese Fernwirkung auslösen, ist bisher noch unbekannt, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Erdbeben entstehen überall dort, wo durch Bewegungen der Erdplatten die Spannung im Untergrund zu groß wird und das Gestein bricht. Die Spannung entlädt sich dann in seismischen Schockwellen – einem Erdbeben. Weil diese plötzliche Druckentlastung und die damit verbundenen Erschütterungen auch angrenzende Abschnitte von tektonischen Störungen destabilisieren können, folgen auf ein Starkbeben oft noch zahlreiche Nachbeben in der gleichen Region.
Gibt es ferne Nachbeben?
Aber könnte ein schweres Erdbeben auch Nachbeben an weiter entfernten Orten verursachen? Einige Ereignisse scheinen dies nahezulegen. So folgte auf das Sumatrabeben im Jahr 2004 ein Beben in Tibet, nach dem Tohoku-Beben vor Japan im März 2011 gab es ein Folgebeben in Kalifornien. 2012 folgten nach einem Erdbeben der Magnitude 8,6 im Indischen Ozean gleich mehrere Beben der Stärke 5,5 und mehr.
„Es gibt häufiger Spekulationen darüber, ob ein Starkbeben in einem Teil der Welt vielleicht irgendwie ein oder mehrere Beben in anderen Teilen der Erde beeinflusst hat“, erklären Robert O’Malley von der Orgon State University und seine Kollegen. „Doch wie dies über so weite Entfernungen und teilweise erst mit zwei bis drei Tagen Verzögerung möglich sein kann, blieb bisher rein spekulativ.“
Auffällige Häufung
Um die Hypothese der fernen nachbeben zu überprüfen, haben O’Malley und sein Team weltweite Erdbebendaten aus 44 Jahren ausgewertet – von 1973 bis 2016. Mithilfe statistischer Analysen untersuchten sie dabei gezielt, ob in den drei Tagen nach einem Starkbeben vermehrt auch anderswo Erdbeben auftraten und wo dies geschah.
Das überraschende Ergebnis: „Die Testfälle zeigten einen klar erkennbaren Erdbeben-Anstieg gegenüber den Hintergrundraten“, berichtet O’Malley. Je höher dabei die Magnitude des Ausgangs-Bebens war, desto wahrscheinlicher ereigneten sich in den Folgetagen eines oder mehrere weitere Beben in anderen Teilen der Welt. Dabei hatten diese fernen Nachbeben häufig eine Magnitude von 5 und mehr.
Rund um die Antipoden
Die fernen Nachbeben traten am häufigsten in einem ganz bestimmten Gebiet auf, wie die Forscher feststellten. Dieses Nachbeben-Gebiet lag fast immer in einem Umkreis von 30 Winkelgraden um die Antipode – der dem Epizentrum des Ursprungsbebens genau gegenüberliegenden Stelle der Erde. Im rechten Winkel dazu waren potenziell assoziierte Beben dagegen extrem selten.
Auffallend auch: Gab es irgendwo auf der Welt zwei Starkbeben relativ kurz hintereinander, dann kam es oft dort zu einem Nachbeben, wo sich die Antipodenzonen beider Beben überschnitten. Warum solche fernen Nachbeben gerade an diesen Stellen entstehen, ist bisher unklar. „Aber unabhängig vom Mechanismus belegen unsere Daten, dass es eine solches Triggern gibt“, sagt O’Malley.
„Bisher unerkanntes Muster“
„In unserer Studie haben damit die bisher ersten erkennbaren Indizien dafür gefunden, dass Erdbeben auch anderswo auf dem Globus und noch bis zu drei Tage später weitere seismische Ereignisse auslösen können“, konstatieren die Forscher. „Wir haben damit ein bisher unerkanntes Muster der globalen Seismizität aufgedeckt.“
Möglicherweise, so spekulieren die Wissenschaftler, kommt es bei der Ausbreitung der Bebenwellen durch den Erdball zu einem Kaskadeneffekt. Dabei führt die Passage der seismischen Fernwellen durch eine Verwerfung dazu, dass auch dort das Gestein destabilisiert wird und sich die Spannung in Beben löst. „Erdbeben sind Teil eines Zyklus von Spannungsaufbau und Entladung“, erklärt O’Malley. „Wenn Verwerfungszonen das Ende eines solchen Zyklus erreichten, können bestimmte Kipppunkte leicht überschritten und so ein Bruch getriggert werden.“ (Scientific Reports, 2018; doi: 10.1038/s41598-018-30019-2)
(Oregon State University, 06.08.2018 – NPO)