Folgenreiche Kollision: Die Erde könnte ihren Kohlenstoff-Reichtum einer urzeitlichen Katastrophe verdanken. Denn Laborexperimente und Modelle deuten darauf hin, dass der Kohlenstoff in Erdmantel und -kruste erst nachträglich auf unseren Planeten gelangte. Erst ein Zusammenstoß mit einem kleineren Protoplaneten könnte der jungen Erde das für das Leben so wichtige Element geliefert haben, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.
Kohlenstoff ist das Element des Lebens – er bildet das Grundgerüst für alle organischen Substanzen und irdischen Organismen. Doch eigentlich dürfte der in Erdkruste und Mantel vorhandene Kohlenstoff heute gar nicht mehr existieren. „Selbst wenn der Kohlenstoff nicht verdampfte, als der Planet noch größtenteils glutflüssig war, hätte er im metallischen Kern der Erde landen müssen, weil die eisenreichen Legierungen dort eine hohe Affinität für Kohlenstoff besitzen“, erklärt Rajdeep Dasgupta von der Rice University.
Kohlenstoffbringer aus dem All?
Doch stattdessen enthält der Erdmantel heute noch bis zu 115 Parts per Millionen (ppm) an Kohlenstoff. Woher aber könnte dieser Kohlenstoff gekommen sein? „Eine populäre Idee dazu ist, dass die leichtflüchtigen Elemente wie Kohlenstoff, Schwefel, Stickstoff und Wasserstoff erst dazukamen, als der Erdkern sich schon gebildet hatte“, erklärt Dasguptas Kollege Yuan Li. So könnten Einschläge von Meteoriten und Kometen Wasser, aber auch erste Lebensbausteine und auch Kohlenstoff auf die noch junge Erde gebracht haben.
Allerdings: „Dieses Szenario kann zwar die Häufigkeit vieler dieser Stoffe erklären. Es gibt aber keine bekannten Meteoriten, die genau das Verhältnis der leichtflüchtigen Elemente in Kruste und Mantel liefern könnten, wie wir sie beider Erde beobachten“, sagt Li. Er und seine Kollegen vermuten daher eine deutlich brachialere Lösung für das Kohlenstoffrätsel unseres Planeten.
Protoplaneten mit Kohlenstoffmantel
Für ihre Studie führten die Forscher Laborexperimente unter Hochdruck-Bedingungen und Modellsimulationen durch. Diese ergaben, dass Kohlenstoff bei der Schichtbildung eines Himmelskörpers durchaus außen vor bleiben kann. Das für allerdings muss die Eisenlegierung im Kern entweder reich an Silizium oder Schwefel sein – und das war bei der jungen Erde nicht der Fall.
Unser Planet könnte aber Mithilfe von außen erhalten haben, wie die Forscher erklären. Denn in der Frühzeit der Erde flogen noch viele größere Planetenbausteine im All umher. Im Gegensatz zu kleineren Meteoriten war ihr Inneres schon differenziert. Und ähnlich wie noch heute der Merkur oder der Mars besaßen sie teilweise einen silizium- oder schwefelreichen Kern und einen entsprechend kohlenstoffreichen Mantel.
Verschmelzung mit der Erde
Und genau hier setzt das Szenario von Dasgupta und seinen Kollegen ein: Vor rund 4,4 Milliarden Jahren, so postulieren sie, könnte ein Protoplanet von rund fünf bis 30 Prozent Erdgröße unseren jungen Planeten getroffen haben. „Dieser Planetenembryo hatte bereits einen siliziumreichen Kern gebildet, als er mit der Erde kollidierte und von ihr komplett verschluckt wurde“, berichtet Dasgupta.
Weil die Erde bei dieser Kollision noch nicht komplett erstarrt war, wäre der Kern des Protoplaneten direkt in das Erdinnere eingedrungen und dort mit dem Erdkern verschmolzen. Die kohlenstoffreiche Außenhülle des Boliden jedoch verschmolz mit dem Erdmantel und reicherte sie dadurch mit Kohlenstoff an, wie die Forscher berichten. Diese frühe Kollision könnte so erklären, warum der Erdmantel heute mehr Kohlenstoff und andere leichtflüchtige Elemente enthält als er eigentlich dürfte. (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2801)
(Rice University, 06.09.2016 – NPO)