Krusten-Nachschub schwächelt: In den letzten 19 Millionen Jahren hat sich die Bildung neuer Erdkruste deutlich verlangsamt, wie eine Studie enthüllt. Die Krustenproduktion an den mittelozeanischen Rücken sank demnach weltweit um rund 37 Prozent – und dies an nahezu allen untersuchten Spreizungszonen. Die Ursachen für diese weltweite Abnahme der Krustenbildungsraten sind jedoch noch unklar.
Die mittelozeanischen Rücken sind nicht nur Nahtstellen der Erdkruste, an ihnen wird auch fortwährend neues Krustenmaterial gebildet. Dabei quillt heißes Magma aus dem Erdmantel auf und dringt entlang dieser vulkanischen Spreizungszonen an die Oberfläche. Als Triebkräfte für diese unterseeischen „Krustenfabriken“ gilt dabei der Druck des aufsteigenden Magmas, aber noch mehr die Zugkraft der Subduktionszonen – der Gebiete entlang der Ozeanränder, in denen die ozeanische Kruste wieder in die Tiefe absinkt.
Krustenfabriken im Visier
Wie viel neue Kruste die mittelozeanischen Rücken produzieren, hat weitreichende Folgen nicht nur für die Dynamik der Plattentektonik, sondern auch die vulkanische Aktivität, das Weltklima und den irdischen Kohlenstoffkreislauf. Sogar für den Meeresspiegel hat die an diesen unterseeischen Nahtstellen austretende Hitze eine Bedeutung. Doch bisher war strittig, ob und wie sich die Rate der Krustenproduktion entlang der mittelozeanischen Rücken im Laufe der Zeit verändert.
Um diese Frage zu klären, haben Colleen Dalton von der Brown University und ihre Kollegen sich nun die 18 größten und wichtigsten mittelozeanischen Rücken und die von ihnen erzeugte Kruste näher angeschaut. Sie analysierten die Magnetisierung von Gesteinsproben aus verschiedenen Krustenzonen, um deren Alter zu ermitteln. Aus diesen und weiteren Daten rekonstruierten sie dann mithilfe eines Modells die Krustenproduktion, Spreizungsraten und Längenveränderungen der Rücken im Laufe der letzten 19 Millionen Jahre.
37 Prozent weniger neue Kruste
Das Ergebnis: „Fast jedes Rückensystem spreizt sich heute langsamer auf als noch vor 19 Millionen Jahren“, berichtet das Team. Im Schnitt lag das Tempo, mit dem die Erdplatten an den mittelozeanischen Rücken auseinanderwandern, vor rund 15 Millionen Jahren teilweise noch bei rund 200 Millimeter pro Jahr, heute liegen die maximalen Raten bei rund 140 Millimeter pro Jahr.
Dieser Trend betrifft 15 von 18 mittelozeanischen Rücken und damit einen Großteil der irdischen Krustenproduktion. Nur drei Systeme tanzen aus der Reihe: Am Pazifisch-Antarktischen Rücken hat sich die Spreizung leicht beschleunigt und an den Südostindischen und Zentralindischen Rücken verlangsamte sie sich bis vor neun Millionen Jahren, um dann bis heute wieder leicht anzusteigen, wie das Team ermittelte.
Dennoch ist der Trend klar negativ: „Insgesamt verringerte sich die Krustenproduktion um 37 Prozent und die Spreizungsrate sank um 38 Prozent“, berichten Dalton und ihre Kollegen.
Sind die Subduktionszonen schuld?
Doch was ist die Ursache für diese Verlangsamung? Klar scheint: An einer Verkürzung der mittelozeanischen Rücken liegt es nicht. Zwar haben einige Systeme ihre Länge verändert, die Gesamtlänge aller mittelozeanischen Rücken blieb aber weitgehend gleich. Dalton und ihre Kollegen vermuten die Gründe daher eher beim Gegenspieler der Spreizungszonen – an den Subduktionszonen.
Wenn sich an den subduzierenden Plattengrenzen der Druck auf die abtauchenden Ozeanplatten erhöht, dann kann dies die Subduktion der Kruste abbremsen. Ein möglicher Auslöser dafür kann beispielsweise das Gewicht von Gebirgen wie den Anden oder dem Himalaya sein. „Es kommt dann zu einer erhöhten Reibung zwischen den kollidierenden Erdplatten“, erklärt Dalton. „Das verlangsamt die Konvergenz und dadurch auch die Spreizung der daran hängenden Rücken.“
Mantelkonvektion könnte ebenfalls beteiligt sein
Allerdings: Eine solche Verlangsamung durch Druck von oben kann aber nur die Verlangsamung an einigen mittelozeanischen Rücken erklären. Die Geologen vermuten daher, dass auch großräumigere Veränderungen der Mantelkonvektion zu der abnehmenden Krustenproduktion beigetragen haben. „Es ist wahrscheinlich, dass es nicht nur eine Erklärung für die nahezu globale Verlangsamung der Plattenbewegung gibt, sondern mehrere unterschiedliche Faktoren, die sich zeitlich überlappen“, konstatieren die Forschenden.
Sie hoffen, mithilfe weiterer Analysen nun mehr über diese Ursachen herauszufinden. Möglicherweise könnte die Antworten auch erklären, warum es im Laufe der Erdgeschichte immer wieder Phasen einer beschleunigten Plattentektonik gab und warum sich die Bildung von Superkontinenten in einem fast regelmäßigen Zyklus zu wiederholen scheint. (Geophysical Research Letters, 2022; doi: 10.1029/2022GL097937)
Quelle: American Geophysical Union (AGU)