Jules Verne hatte recht: Im Erdinneren gibt es ein gewaltiges Wasserreservoir – wenn auch nicht in Form eines Sees oder Ozeans. Gespeichert ist das Wasser im Gestein der Übergangsschicht zwischen oberem und unterem Erdmantel. Dort aber gibt es davon mehr als in allen Weltmeeren zusammen, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Den entscheidenden Beleg dafür entdeckten sie in einem Diamant.
Gängiger Theorie nach könnte das irdische Wasser aus zwei Quellen gekommen sein: Wasserreiche Kometen und Asteroiden könnten einiges davon aus dem Weltraum mitgebracht haben. Ein Großteil aber soll aus dem Erdinneren stammen: „Der Ursprung des Wassers in der Hydrosphäre der Erde ist der Erdmantel“, erklären Graham Pearson von der University of Alberta in Edmonton und seine Kollegen. Der obere Erdmantel besteht jedoch aus dem Mineral Olivin, das kaum Wasser speichern kann.
Übergangsschicht als Wasserspeicher?
Aber darunter, in 410 bis 660 Kilometern Tiefe, liegt die Übergangsschicht zum unteren Erdmantel. Hier sorgen der enorme Druck und große Hitze dafür, dass das Olivin seine Kristallstruktur ändert und zu den Mineralen Wadsleyit und Ringwoodit wird. Und vor allem letzteres könnte theoretisch Wasser speichern und so das gesuchte Reservoir des Urzeitwasser darstellen. Das große Problem dabei: In diese Tiefen kann nicht einmal der modernste Bohrer vordringen, Forscher mussten daher bisher indirekte Messmethoden nutzen, unter anderem durch seismische Wellen, um mehr über die Struktur dieser Übergangsschicht herauszufinden. Bis jetzt.
Denn zum ersten Mal haben nun Wissenschaftler ein winziges Stück Ringwoodit aus den Tiefen des Erdmantels gefunden. Pearson und seine Kollegen kam dabei der Zufall zu Hilfe. Die Forscher waren eigentlich auf der Suche nach einem anderen Mineral, als sie in der Gegend um die Diamantenminen von Mato Grosso in Brasilien auf einen unscheinbaren, trüb-bräunlichen Minidiamanten stießen. Der nur drei Millimeter kleine, unregelmäßig geformte Brocken war für die Schmuckherstellung wertlos.
Zufallsfund im trüben Diamant
Doch in seinem Inneren verbarg sich ein wahrer Schatz, wie einer der Doktoranden im Team ein Jahr später bei einer Nachuntersuchung entdeckte: In der Mitte des Diamanten steckte ein winziger, nur rund 40 Mikrometer großer, grünlicher Kristall. „Das war echtes Glück, dass wir den überhaupt entdeckt haben“, sagt Pearson. Die Forscher präparierten diesen Kristall-Einschluss heraus und analysierten ihn mit verschiedenen Methoden, darunter der Laser- und Infrarot-Spektroskopie und der Untersuchung per Röntgenbeugung.
Die Analysen ergaben, dass es sich tatsächlich um Ringwoodit handelte – das erste jemals auf der Erde gefundene. Zum ersten Mal hatten die Geoforscher damit ein Stück Mineral in der Hand, das aus der Übergangszone des Erdmantels stammen musste – aus einer Tiefe von mehr als 410 Kilometern. Das winzige Körnchen war zusammen im Laufe der Jahrmillionen wahrscheinlich durch vulkanische Aktivität in höhere Schichten gelangt. Irgendwo auf diesem Aufstieg wurde es von einem Diamant eingeschlossen, der es bis heute konservierte.
Mehr Wasser als alle Ozeane zusammen
Aber noch viel wichtiger: Wie die Analysen zeigten, enthält das Ringwoodit tatsächlich rund 1,5 Gewichtsprozent Wasser. Das aber bedeutet, dass auch die Übergangsschicht, aus der dieses Mineral stammt, mindestens ein Prozent Wasser enthalten muss. Das klingt nicht viel, aber rechnet man dies auf die gesamte Übergangsschicht hoch, dann kommt eine Menge zusammen: „Diese Schicht der Erde könnte so viel Wasser enthalten wie alle Ozeane der Erde zusammen“, erklärt Pearson.
Diese Mineralprobe liefere den ersten direkten Beweis dafür, dass die Übergangszone zumindest stellenweise wasserreich sein muss. „In mancher Beziehung ist es ein Ozean im Inneren der Erde, wie es Jules Verne in seinem Roman ‚Reise zum Mittelpunkt der Erde‘ beschrieb“, erklärt Hans Keppler von der Universität Bayreuth in einem begleitenden Kommentar. „Nur hat dieser Ozean nicht die Form flüssigen Wassers, sondern besteht aus OH-Gruppen an einem ungewöhnlichen Mineral.“
Diese Entdeckung hat große Bedeutung für unser Bild des Erdinneren, aber auch für viele geologische Prozesse. Denn Vulkanismus, Plattentektonik und andere Vorgänge, die die Erde zu einem so dynamischen Planeten machen, werden entscheidend davon beeinflusst, ob und wie viel Wasser in den verschiedenen Schichten präsent ist. Wasser verändere die gesamte Art, wie ein Planet funktioniere, erklärt Pearson. Das Wissen, dass in der Tiefe tatsächlich ein ganzes Reservoir dieses geologischen Schmiermittels existiert, wirft neues Licht auf viele geologische Theorien und Hypothesen. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13080)
(Nature / University of Alberta, 13.03.2014 – NPO)