Erdöl gilt weltweit als einer der wichtigsten Rohstoffe. Doch nicht nur der Mensch, sondern auch Mikroorganismen machen sich diesen Energieträger zu Nutze. So leben in vielen Erdöllagerstätten Mikroben, die sich unter Sauerstoffabschluss vom „schwarzen Gold“ ernähren. Doch noch rätseln Forscher, wie sich die Mikroben überhaupt in den teilweise mehrere tausend Meter tiefen Lagerstätten ansiedeln konnten und wie sie dort ihr Überleben meistern.
Erst seit rund 20 Jahren ist bekannt, dass es tief unter der Erdoberfläche nicht nur dunkel und leblos ist, sondern dass es dort vielmehr vor Leben nur so wimmelt. Hoch spezialisierte Bakterien und Archaeen, möglicherweise auch Viren und Pilze nisteten sich in der so genannten „Tiefen Biosphäre“ vermutlich schon vor Millionen von Jahren ein und konnten sich mit ihrem Stoffwechsel im Laufe der Zeit perfekt an die extremen Lebensbedingungen anpassen. So auch in den Erdölfeldern, die den Mikroben als nahezu unerschöpfliche Kohlenstoff- und Energiequellen dienen.
Auch Spezialisten kennen Grenzen
Für das Überleben der Mikroben scheinen vor allem die Temperaturen innerhalb der tiefen Lagerstätten von Bedeutung zu sein. Denn aufgrund der untersuchten Proben nehmen die Wissenschaftler an, dass bei rund 80 Grad Celsius die Temperaturobergrenze für den biologischen Abbau von Kohlenwasserstoffen erreicht ist. „Der Grund hierfür ist allerdings unklar, da mikrobielles Leben bei weit höheren Temperaturen von über 110 Grad Celsius möglich ist“, umschreibt Heinz Wilkes vom GeoForschungsZentrum Potsdam den weiteren Forschungsbedarf. Zusammen mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie erforscht Wilkes schon seit einigen Jahren die „Erdölfresser“ und hat der Dunkelheit der Lagerstätten schon einige Geheimnisse entrissen.
Mikroben sind auch in der Tiefe auf flüssiges Wasser als Lebensraum angewiesen. Entsprechend siedeln sie bevorzugt an der Grenze von Öl- und Wasservorkommen, wobei es jedoch zwei grundsätzlich unterschiedliche Lebensweisen geben könnte – je nach den Eigenschaften der gefressenen Erdölbestandteile. „Sind diese gut wasserlöslich, treiben ihre Abbauer frei in der Wasserphase, sind sie dagegen schlecht wasserlöslich, halten sich ihre Abbauer nahe am Öl-Wasser-Kontakt auf“, so Wilkes. Wenn dann noch Sulfat oder Kohlendioxid für die Atmung und andere lebenswichtige Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor im Wasser vorkommen, fühlen sich die Mikroben anscheinend richtig wohl.
Geminderte Erdöl-Qualität
„Über die geologischen Faktoren, die die Lebensbedingungen in einer Lagerstätte und damit die Zusammensetzung der Mikroflora steuern, ist bislang allerdings nur sehr wenig bekannt“, schränkt Wilkes die bisherigen Forschungserfolge ein. Unbestritten ist jedoch, dass die mikrobiellen Aktivitäten nicht nur die Menge der fossilen Brennstoffe verringern, sondern auch eine deutliche Verschlechterung ihrer Qualität herbeiführen. Denn der biologische Abbau führt zur Erhöhung der Dichte, der Viskosität und der Gehalte an organischen Säuren, Schwefel und Metallen. „In der Konsequenz sind biodegradierte Erdöle schwieriger zu produzieren und verarbeiten, haben einen geringeren wirtschaftlichen Wert und führen zu erheblich größeren ökologischen Problemen“, fasst Wilkes die Bedeutung des mikrobiellen Abbaus für den Menschen zusammen.
Angesichts knapper werdender Ölreserven erscheinen aber auch solche degradierten Felder inzwischen attraktiv. „Die Vorkommen an biodegradierten Schwerölen in nur zwei Erdölsystemen in Kanada und Venezuela übersteigen die nachgewiesenen konventionellen Reserven um ein Mehrfaches“, umschreibt Wilkes die Größenordnung dieser Lagerstätten. Aufgrund dieses hohen wirtschaftlichen Potenzials erscheint die Erforschung der Überlebenskünstler umso dringender. Doch auch abseits der Energiewirtschaft stoßen die Mikroben auf ein starkes Interesse, da sie möglicherweise neue Impulse in der Sanierung von Ölkontaminationen in der Umwelt, aber auch in den Biotechnologien liefern könnten.
(Heinz Wilkes, GeoForschungsZentrum Potsdam, 14.07.2006 – AHE)