Die Erosion in den Anden hing in den letzten 24.000 Jahren entscheidend von der Menge an Niederschlägen ab, die dort fielen. Dies haben Wissenschaftler bei der Analyse von Meeresablagerungen vor der chilenischen Küste herausgefunden. Sie konnten dabei auch zeigen, dass Ozeansedimente sehr gut geeignet sind, um die Umweltgeschichte der südamerikanischen Kordilleren seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit zurück zu verfolgen.
Zudem belegen die Sedimente, dass insbesondere in den südlichen Anden die Niederschlagsmengen zwischen Warm- und Kaltzeiten erheblich schwankten, so die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Geology.
Die Anden sind eine der imposantesten Gebirgsketten weltweit. Gut 7.500 Kilometer erstrecken sie sich entlang der südamerikanischen Pazifikküste. Aufgefaltet wird das Gebirge durch den Zusammenstoß zweier Erdplatten. Seit etwa 150 Millionen Jahren schiebt sich die pazifische Nazca-Platte unter die kontinentale südamerikanische Platte. Seewärts ist diese Knautschzone durch einen bis zu acht Kilometer tiefen untermeerischen Graben geprägt. Aus diesem Tiefseegraben steigen die Anden steil in Höhen von fast sieben Kilometern auf.
Schleichende Erosion
Wie jedes Gebirge unterliegen auch die Anden einer schleichenden Erosion. Regen und Schmelzwasser dringen in feine Haarrisse ein, gefrieren, dehnen sich dabei aus und sprengen so den Fels. Da sich dieser Prozess – wie die Gebirgsbildung selbst – über Jahrmillionen hinzieht, ist es nicht leicht, die Erosionsraten zu bestimmen.
"Wir wollten herausfinden, inwieweit sich die Erosionsgeschwindigkeit zwischen Warm- und Kaltzeiten unterscheidet", erklärt Professor Dierk Hebbeln vom Bremer MARUM der zusammen mit Potsdamer Wissenschaftlern an der Studie beteiligt war. "Deshalb haben wir auf zwei Expeditionen mit dem Forschungsschiff SONNE vor der chilenischen Küste Meeresablagerungen beprobt", sagt Meeresgeologe Hebbeln. Anhand der aus bis zu 4.000 Metern Wassertiefe gewonnenen Sedimentkerne wurde in den heimischen Labors bestimmt, wie viel Material vor der chilenischen Küste pro Tausend Jahre abgelagert wird, also um wie viele Zentimeter der Meeresboden in diesem Zeitraum anwächst.
"Diese so genannten Sedimentationsraten mussten wir natürlich noch um den Anteil jener Ablagerungen bereinigen, die aus dem Meer selbst stammen. Schließlich interessierte uns nur der aus den Anden ins Meer gespülte Erosionsschutt", erklärt Hebbeln.
Niederschlagsmengen entscheidend
Für den Zeitraum seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Erosion an Land bzw. die Ablagerungsraten im Meer entscheidend von den Niederschlagsmengen bestimmt wurden. So lagerte sich während der letzten 24.000 Jahre im feuchten Süden Chiles durchschnittlich zehnmal mehr Erosionsmaterial ab als weiter nördlich vor der extrem trockenen Atacama-Wüste.
Mehr Ablagerungen während der Kaltzeit
Vergleicht man das Erosionsgeschehen zwischen der letzten Eiszeit und der jetzigen Warmzeit, zeigt sich, dass die Ablagerungsraten während der Kaltzeit bis zu dreimal höher waren als in der jetzigen Warmzeit. "Das hängt mit einer klimabedingten Verschiebung der Niederschlagsgebiete zusammen", stellt Hebbeln fest. "Heute bescheren die Westwinde nur dem Süden Chiles erhebliche Niederschläge.
Während der letzten Eiszeit dagegen dehnte sich der antarktische Eispanzer aus. In der Folge verschoben sich Klimazonen mitsamt der Regen bringenden Westwindzone um etwa 550 Kilometer gen Norden Richtung Mittelchile."
Patagonischer Eisschild mit wichtiger Rolle
Die Meeresablagerungen spiegeln nach den Ergebnissen der Forscher auch regionale Klimaphänomene wider: Sie belegen, dass die Sedimentationsmuster im südlichen Chile nicht nur durch erhöhte Niederschläge sondern zusätzlich durch den patagonischen Eisschild beeinflusst wurde, der diese Region vor rund 20.000 Jahren bedeckte.
"Wir zeigen mit unserer Arbeit, dass die Meeresablagerungen die geologischen Prozesse an Land sehr gut widerspiegeln", bilanziert Hebbeln: "Weltweit lagern in geowissenschaftlichen Instituten viele Sedimentkerne, die vor gebirgigen Küsten gewonnen wurden. Aus denen ließen sich vermutlich auch die Erosionsgeschichte anderer Gebirge nachzeichnen – ohne dass gleich eine neue Schiffsexpedition organisiert werden müsste."
(idw – MARUM_Forschungszentrum Ozeanränder, Universität Bremen, 14.02.2007 – DLO)