Auch die Erde glüht – wenn man sie im Licht der Antineutrinos sehen könnte. Denn der radioaktive Zerfall im Inneren erzeugt einen stetigen Strom dieser Antiteilchen. Eine erste Weltkarte dieser irdischen Antineutrino-Strahlung haben Forscher jetzt im Fachmagazin „Scientific Reports“ vorgestellt. Sie gibt Aufschluss über das Brennstoff-Budget unseres Planeten, zeigt aber auch, wo aktive Kernreaktoren auf der Oberfläche zusätzliche Antineutrinos erzeugen.
Tief im Inneren liegt der Wärmeofen der Erde, hier heizen die aus der Frühzeit übrig gebliebene Hitze und der radioaktive Zerfall von Elementen unseren Planeten auf. Beim sogenannten Beta-Minus-Zerfall wandelt sich ein Neutron in ein Proton um und gibt dabei ein Elektron und ein Antineutrino ab. Weil diese Antiteilchen Materie genauso mühelos durchdringen können wie ihre Gegenparts, die Neutrinos, strömen ständig Antineutrinos aus dem Erdinneren an die Erdoberfläche und hinaus ins All.
„Ein schwachleuchtender Antineutrino-Stern“
„In jeder Sekunde strahlen mehr als zehn Quadrillionen Antineutrinos von der Erde aus ins All und lassen sie aufglühen wie einen schwachleuchtenden Antineutrino-Stern“, erklären Shawn Usman von der National Geospatial-Intelligence Agency in Springfield und seine Kollegen. Vor allem der Zerfall von radioaktivem Uran und Thorium im Erdmantel und der unteren Erdkruste gibt einen stetigen Strom von Antineutrinos ab. Diesen Antineutrino-Strom haben die Forscher jetzt anhand von Messungen rekonstruiert und daraus eine Weltkarte der Energieproduktion unseres Planeten erstellt.
Dafür analysierten die Forscher die Daten von zwei großen Neutrino-Observatorien, dem KamLAND in Japan und dem Borexino-Detektor in Italien. Anhand der von den Antineutrinos in den Detektorbecken erzeugten Lichtblitze und den daraus rekonstruierten Interaktionen der Antineutrinos konnten die Forscher ermitteln, wo wie viele Antineutrinos aus dem Inneren an die Oberfläche dringen. „Indem wir die Antineutrino-Aktivität lokalisieren, können wir Bilder erzeugen, von denen unsere Vorgänger nur träumen konnten“, sagt Koautor William McDonough von der University of Maryland.