Zum ersten Mal haben Wissenschaftler eine hochauflösende Karte erstellt, die genau zeigt, wie viel Kohlenstoff in verschiedenen Pflanzengesellschaften des tropischen Regenwalds gespeichert ist. Die in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) veröffentlichte Karte enthüllt auch, dass Entwaldung gleich in zweifacher Hinsicht zu einer Zunahme der Kohlendioxidemissionen beiträgt. Die neuen Daten liefern zudem der Waldschutz-Initiative der UNO, REDD, eine bessere Datenbasis als bisher.
2008 starteten die Vereinten Nationen ein Programm zur Reduzierung der Emissionen aus Entwaldung und Degradierung (REDD). In dessen Rahmen werden insbesondere ärmeren, regenwaldreichen Ländern finanzielle Anreize und technische Hilfen zur Verfügung gestellt, um vermehrte CO2-Emissionen durch Entwaldung und Änderungen der Landnutzung zu verringern. Sie sind für immerhin 20 Prozent der anthropogenen CO2-Emissionen verantwortlich. Bisher allerdings standen als Basisdaten zur Kohlenstoffspeicherung und -abgabe unterschiedlicher Vegetationstypen weltweit nur Schätzungen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zur Verfügung.
Messungen per Laser und Satellit
Ein Forscherteam der Carnegie Institution hat nun erstmals die Kohlenstoffbilanz der Pflanzenwelt einer ganzen Region in einer hochauflösenden und detaillierten Karte ermittelt und visualisiert. Die Studie erfasst mehr als 42.000 Quadratkilometer Amazonasregenwald in Peru – das entspricht der Fläche der gesamten Schweiz. Die Forscher unter Leitung von Greg Asner gingen für ihre Untersuchung in vier Schritten vor: Zuerst kartierten die die Vegetationstypen und Störungen der Bewaldung per Satellit, dann nutzten sie ein flugzeugbasiertes LIDAR-System, um auch die dreidimensionale Struktur des Waldes zu erfassen. Um die Rate der Kohlenstoffspeicherung zu ermitteln, analysierten sie diese in einem Netzwerk von kleinen, repräsentativen Versuchsflächen und kombinierten diese Daten dann mit der Vegetationskartierung.
Speicherkapazität geringer als geschätzt
Das Resultat ist eine hochauflösende Karte, die einen detaillierten Überblick über den vom Wald gespeicherten und abgegebenen Kohlenstoff im Zeitraum 1999 bis 2009 liefert. Sie gibt auch erstmals genau Aufschluss darüber, welche Wirkung die historische und gegenwärtige Entwaldung auf diese Bilanz hat. „Wir haben festgestellt, dass die regionale Kohlenstoffspeicherung der Wälder bei rund 395 Millionen Tonnen liegt und die Emissionen rund 630.000 Millionen Tonnen pro Jahr erreichten“, erklärt Asner. In punkto Speicherung liegen die Werte der Forscher damit deutlich unter den Schätzwerten des IPCC für diese Region, die 587 Millionen Tonnen ansetzten.
Entwaldung kostet gleich doppelt
Die neue Karte zeigt auch, dass bei einer Entwaldung gleich zwei Komponenten zu einer erhöhten Kohlendioxidemission und damit Kohlenstofffreigabe beitrugen: Zum einen der Verlust der Bäume und ihrer kohlenstoffspeichernden Wirkung, die beispielsweise in einer von Straßenbau und Goldabbau betroffenen Region mit rund 61 Prozent mehr Emissionen bis 2009 zu Buche schlägt. Zum anderen aber auch die Degradierung der Böden nach der Rodung, die sich über diesen Flächen verdoppelte. Einen nur kleinen Lichtblick lieferten Flächen, auf denen nach vergangener Entwaldung wieder neue Wälder wuchsen, sie trugen immerhin zu einer regional bis zu 18-prozentigen Abnahme der CO2-Emissionen bei.
Alter Boden speichert schlechter
Zum ersten Mal deckte die Kartierung auch einen Zusammenhang zwischen der Geologie des Untergrunds, der Vegetation, der Landnutzung und der Kohlenstoffbilanz auf. „Was uns wirklich überraschte, war, wie stark sich die Kohlenstoffspeicherung zwischen den unterschiedlichen Waldarten und der zugrundeliegenden Geologie unterschied, selbst wenn diese eng beieinander lagen“, so Asner. So speicherte beispielsweise die Vegetation auf 60 Millionen Jahre alten Untergründen 25 Prozent weniger Kohlenstoff als auf geologisch jüngeren, fruchtbareren Formationen.
Zusammenarbeit mit örtlichen Behörden
Die in enger Zusammenarbeit mit peruanischen Behörden durchgeführte Studie soll auch dazu beitragen, dass insbesondere in der gefährdeten Region Madre de Dios zukünftig Waldschutz- und Rodungsmaßnahmen besser koordiniert werden können. „Dies wird unsere Möglichkeiten stärken, den Amazonas-Regenwald zu überwachen, Erfahrungen in der Verbesserung und Erfassung der Umwelt- und Landmanagement-Bedingungen zu sammeln und zur Etablierung der REDD-Mechanismen beizutragen“, erklärt Doris Rueda, Direktorin für Landmanagement am peruanischen Umweltministerium. Die Wissenschaftler planen zudem, auch die Regierungen in Ecuador und Kolumbien in der Nutzung und Interpretation der hochauflösenden Kartierung zu schulen.
(Carnegie Institution, 07.09.2010 – NPO)