Geologen haben in den USA die ersten Sekundärkrater der Erde entdeckt – ein riesiges Feld aus Dutzenden bis zu 70 Meter großen Kratern, die durch die ausgeschleuderten Trümmer eines Asteroideneinschlags entstanden sind. Das in Wyoming entdeckte Feld von Sekundärkratern ist rund 280 Millionen Jahre alt und umgibt einen noch unentdeckten Primärkrater, der 50 bis 65 Kilometer groß sein muss. Bisher war unklar, ob es auf der Erde wegen ihrer dichten Atmosphäre überhaupt Sekundärkrater geben kann.
Es gibt sie auf dem Mond, dem Mars und dem Merkur: Viele große Einschlagskrater auf diesen Himmelskörpern sind von kleineren Kratern umgeben. Diese wurden von den Trümmerstücken gebildet, die beim Einschlag aus dem Primärkrater mit hoher Geschwindigkeit ausgeschleudert wurden. Typisch für solche Sekundärkrater sind eine meist asymmetrische Form, v-förmige Auswurfsspuren und, wie beim Mondkrater Tycho gut zu erkennen, strahlenförmige, aus pulverisiertem Auswurf gebildete Streifen.
Strittig war jedoch bisher, ob es solche Sekundärkrater auch auf der Erde geben kann. Denn nach gängiger Annahme bremst die dichte Atmosphäre unseres Planeten Auswurfstrümmer so stark ab, dass ihre Energie nicht mehr zur Kraterbildung reicht. „Bisher wurden solche Zweitkrater weder auf der Erde noch auf anderen planetaren Himmelskörpern mit dichten Atmosphären wie der Venus oder dem Titan gefunden“, erklären Thomas Kenkmann von der Universität Freiburg und seine Kollegen.
Ein riesiges Feld aus Kratern
Doch das hat sich nun geändert. Im US-Bundestaat Wyoming haben die Geologen ein riesiges Kraterfeld entdeckt, das aus 31 zwischen zehn und 70 Meter großen Kratern und mindestens 60 noch unbestätigten weiteren besteht. Als die Forscher vor einigen Jahren die ersten dieser Krater fanden, hielten sie es zunächst für das Streufeld eines vor rund 280 Millionen Jahren in der Luft zerplatzen Meteoriten.
Schon diese ersten Funde legten nahe, dass es sich um das größte und älteste Kraterstreufeld der Erde handeln könnte. Doch seither haben Wissenschaftler auch anderen Stellen in der nahen Umgebung weitere Krater entdeckt. Das gesamte bisher bekannte Kraterfeld ist damit mehr als 90 Kilometer lang und 40 Kilometer breit. Die Einschlagssenken bilden dabei einen durch Gebirgsrücken unterbrochenen Bogen. Diese Funde und eine genauere Analyse der Kratermerkmale haben Zweifel an dem ursprünglichen Entstehungs-Szenario geweckt.
Auffällige Kratermerkmale
Der Grund: Anders als bei einem primären Kraterfeld, das durch die Bruchstücke eines in der Atmosphäre zerborstenen Asteroiden entsteht, zeigen die Krater in Wyoming einige Auffälligkeiten. Sie sind teilweise deutlich elliptisch und zeigen Mikrostrukturen, die auf flache, aus einer gemeinsamen Richtung kommende Einschläge hindeuten, wie Kenkmann und seine Kollegen berichten.
Ebenfalls auffällig ist die Häufung von radiären Kraterketten und Kratergruppen, wie sie auch bei den Sekundärkratern auf dem Mond und Mars beobachtet wurden. „Normalerweise finden sich bei kleineren Primärkratern zudem noch die Relikte von Eisenmeteoriten“, erläutern die Forscher. Im Wyoming sei dies aber nicht der Fall. Diese Abwesenheit von Meteoritenresten spricht ihren Angaben nach ebenfalls dafür, dass es sich um Sekundärkrater handelt.
Erster Beleg für irdische Sekundärkrater
Nach Ansicht der Geologen spricht all dies dafür, dass es sich bei den Kratern in Wyoming um ein sekundäres Kraterfeld handelt – das erste jemals auf der Erde entdeckt. „Zum ersten Mal gibt es Belege dafür, dass eine sekundäre Kraterbildung auf der Erde möglich ist“, konstatieren Kenkmann und sein Team. „Die Bahnen der Impaktoren sprechen für einen gemeinsamen Ursprung und zeigen, dass diese Krater von ausgeworfenen Brocken aus einem großen Primärkrater gebildet wurden.“
Sollte sich dies bestätigen, könnte es auf der Erde noch weitere Sekundärkrater geben und gegeben haben. Ein Großteil dieser eher kleineren Krater dürfte allerdings durch Erosion zerstört sein. Weil die Erdatmosphäre die bei einem größeren Einschlag ausgeworfenen Brocken zudem stark abbremst, sind wahrscheinlich nur selten klare Schockspuren in den Mineralen erkennbar – was eine Identifizierung solcher Krater weiter erschwert.
Das Einschlagsszenario
Aus der Größe und Ausrichtung der bisher identifizierten Sekundärkrater hat das Team bereits erste Hinweise auf den ursprünglichen Einschlag und die Lage und Größe des Primärkraters gewonnen. Demnach schlug vor rund 280 Millionen Jahren ein gut zwei Kilometer großer Asteroid im Bereich des sogenannten Denver-Beckens im Grenzgebiet des heutigen Wyoming zu Nebraska ein.
Dieser Einschlag könnte einen Feuerball von rund 60 Kilometer Radius verursacht haben, dessen Hitze bis in das Gebiet der jetzt entdeckten Sekundärkrater reichte. Es entstand eine Ejektawolke aus heißem, teils glutflüssigem Auswurf, die sich 150 bis 200 Kilometer weit ausbreitete. Die Sekundärkrater wurden von vier bis acht Meter großen Gesteinsbrocken gebildet, die beim Einschlag ausgeschleudert wurden und auf einer ballistischen Flugbahn mit einer Geschwindigkeit von 700 bis 1.000 Meter pro Sekunde wieder auf die Erdoberfläche zurückstürzten.
Wo liegt der Primärkrater?
Den Berechnungen der Forscher zufolge muss der bei diesem Einschlag gebildete Primärkrater rund 50 bis 65 Kilometer groß sein. Anders als die nachträglich durch tektonische Hebungen zutage getretenen Sekundärkrater liegt er wahrscheinlich noch tief unter jüngeren Sedimentschichten begraben. Das Aufspüren weiterer sekundärer Krater im Umfeld des neu entdeckten Kraterfelds könnte dabei helfen, seine Lage genauer einzugrenzen.
„Das wichtigste Ziel künftiger Studien muss es nun sein, den Primärkrater zu suchen“, schreiben Kenkmann und sein Team. Sie schlagen dafür umfassende geophysikalische Untersuchungen und Testbohrungen im nördlichen Denver-Becken vor, um den urzeitlichen Einschlagskrater zu finden. (Geological Society of America Bulletin, 2022; doi: 10.1130/B36196.1)
Quelle: Geological Society of America