Paläontologie

Erster Archaeopteryx ist gar keiner

Ältestes vermeintliches Fossil des Urvogels entpuppt sich als noch größere Rarität

Das sogenannte Haarlemer Exemplar galt bislang als ältestes Fossil des Urvogels Archaeopteryx. Doch in Wirklichkeit handelt es sich um einen noch spannenderen Fund. © Oliver Rauhut

Spannende Entdeckung: Das erste Fossil des Archaeopteryx ist in Wirklichkeit gar kein Urvogel – es ist ein noch viel seltenerer Fund. Denn das vermeintliche Urvogel-Relikt gehört zu einer Gruppe vogelähnlicher Dinosaurier, die bisher nur aus China bekannt waren, wie eine Neuanalyse enthüllt. Das Fossil aus dem Solnhofener Plattenkalk belegt damit erstmals, dass diese Raubsaurier damals bis nach Europa kamen. Es ist daher sogar noch wertvoller und seltener als der Archaeopteryx.

Sie gehören zu den berühmtesten Fossilien der Welt: Nur zwölf Exemplare existieren weltweit vom berühmten Archaeopteryx – dem Urvogel, der vor rund 150 Millionen Jahren durch die Urzeit-Wälder flatterte. Diese ab 1860 im Solnhofener Plattenkalk entdeckten Relikte galten als das entscheidende Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln und als Beleg für Darwins damals frisch veröffentlichte Evolutionstheorie.

Doch kein Archaeopteryx

Doch wie sich jetzt zeigt, wurde ausgerechnet das als erstes gefundene Fossil des Archaeopteryx offenbar die ganze Zeit falsch zugeordnet. Diese Fehldeutung haben die Paläontologen Oliver Rauhut von der Universität München und Christian Foth vom Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart bei einer Neuuntersuchung des sogenannten „Haarlemer Exemplars“ entdeckt. Sie haben die Knochen des unvollständigen Fossils noch einmal vermessen und mit anderen Archaeopteryx verglichen.

Es zeigte sich: Dieses Fossil weist einige entscheidende Unterschiede zu Archaeopteryx auf. So sind die Proportionen seiner Knochen anders als bei den anderen und auch die Form einiger Knochen unterscheidet sich. „Es ist keiner der berühmten Urvögel“, fasst Rauhut das Ergebnis der taxonomischen Untersuchung zusammen. Stattdessen gehört das Fossil zu einer Gruppe vogelähnlicher Raubsaurier, den Anchiornithiden. Sie wurden erst vor wenigen Jahren erstmals in China identifiziert.

Der Federdino Anchiornis huxleyi ist zehn Millionen Jahre älter als Archaeopteryx © Matt Martyniuk/ CC-by-sa 3.0

Eine noch größere Rarität

Damit aber ist dieses Fossil sogar noch wertvoller und seltener als zuvor. Denn Anchiornis gilt als eines der echten, Missing Links zwischen Dinosauriern und Vögel und als einer der Vorgänger des Archaeopteryx. Diese eher kleinen vogelähnlichen Saurier aus China besaßen Federn an Armen und Beinen, konnten aber wahrscheinlich noch nicht fliegen.

Das Spannende daran: „Das Fossil ist der erste Nachweis dieser Gruppe außerhalb Chinas und in Europa“, sagt Rauhut. „Und es ist neben Archaeopteryx erst der zweite vogelähnliche Raubsaurier aus der Jurazeit, der außerhalb Ostasiens gefunden wurde. Damit stellt es eine noch größere Rarität dar als die Exemplare des Archaeopteryx.“

Ausbreitung bis nach Europa

Das im Altmühltal gefundene Fossil belegt erstmals, dass die vogelähnlichen Raubsaurier Ostasiens sich damals bis nach Europa ausgebreitet haben müssen. „Im Zuge ihrer Expansion Richtung Westen haben sie auch das Solnhofener Archipel erreicht“, erklärt Foth. Der Raubsaurier, der bislang fälschlicherweise als Archaeopeteryx galt, würde damit zu den ersten Ankömmlingen seiner Gruppe in Europa gehören.

Dort, wo heute der Solnhofener Plattenkalk liegt, erstreckte sich vor 150 Millionen Jahren ein Archipel von Riffinseln, das sich Richtung Westen und Süden zum Meer hin öffnete. Während die flugfähigen Archaeopteryxe im Westteil dieses Archipels auf kleinen Inseln lebten, kam der nichtflugfähige Anchiornis-Verwandte wohl nur bis zum östlichen Rand des Archipels, der nahe dem Festland lag.

Damit liefert das so lange verkannte Fossil ganz neue Einblicke in die Entwicklung und Ausbreitung der vogelähnlichen Raubsaurier. (BMC Evolutionary Biology, 2017; doi: 10.1186/s12862-017-1076-y)

(Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns, 05.12.2017 – NPO)

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