Klima

Erwärmung: Drei Grad schon in 20 bis 30 Jahren?

KI-gestützte Klimaprognosen prognostizieren schnellere Erwärmung in vielen Regionen

Klimaerwärmung
Die Temperaturen steigen fast überall. Aber wo wird die Marke von zwei oder drei Grad Erwärmung zuerst erreicht? Und wann? © ugurhan/ iStock

Klima-Turbo: In vielen Regionen der Erde könnte die Erwärmung schon Mitte dieses Jahrhunderts die Drei-Grad-Schwelle erreichen – weit schneller als bislang vorhergesagt. Auch Mitteleuropa, das Mittelmeer, Südasien und Teile Afrikas gehören zu diesen Gebieten, wie KI-gestützte Klimaprognosen nahelegen. Demnach überschreiten 31 von 34 untersuchten Regionen schon 2040 die Zwei-Grad-Schwelle und 26 von 34 Regionen erreichen bis 2060 die Drei-Grad-Marke. Die Folgen könnten erheblich sein.

2024 überschreitet die Jahresmitteltemperatur zum ersten Mal den Wert von 1,5 Grad Erwärmung gegenüber präindustriellen Verhältnissen – einer symbolträchtige Schwelle, die eigentlich als Zielwert des Pariser Klimaschutzabkommens galt. Denn Klimafolgen wie Wetterextreme, der Meeresspiegelanstieg und Verschiebung der Klimazonen könnten bei stärkerer Erwärmung überproportional schwerwiegender ausfallen, wie ein IPCC-Bericht im Jahr 2018 aufzeigte. 2023 prognostizierte eine Studie das globale Überschreiten der Zwei-Grad-Grenze schon in den 2040er Jahren.

Klimafolgen
Schon eine Erwärmung um mehr als, 1,5 Grad verstärkt Wetterextreme und macht sie häufiger. Bei zwei oder drei Grad Erwärmung wären die Folgen noch schwerwiegender. © IOP Publishing

Das Problem der regionalen Prognosen

Allerdings schreitet die Erwärmung nicht überall gleich schnell voran. So erwärmt sich beispielsweise die Arktis mehr als doppelt so schnell wie der der Rest der Welt und auch Mitteleuropa liegt in puncto Erwärmung über dem globalen Durchschnitt. „Es ist daher wichtig, nicht nur auf die globalen Temperaturen zu schauen, sondern auch auf die spezifischen Veränderungen auf lokaler und regionaler Ebene“, erklärt Koautor Noah Diffenbaugh von der Stanford University.

Das Problem jedoch: Die gängigen Klimamodelle sind bei solchen regionalen Prognosen deutlich ungenauer und häufig überfordert. „Die Herausforderung besteht zum einen darin, dass das Klimasystem in kleineren räumlichen Skalen ‚verrauschter‘ und weniger berechenbar ist“, erklärt Diffenbaugh. Zum anderen wirken sich Unsicherheiten in der Modellierung globaler und großräumiger Prozesse im regionalen und lokalen stärker aus. „Das macht es schwerer zu ermitteln, wie genau eine bestimmte Region auf die globalen Veränderungen reagieren wird“, so der Forscher.

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KI als Klimaforscher

An genau diesem Punkt kommt nun die künstliche Intelligenz ins Spiel: „KI kann zu einem machtvollen Werkzeug werden, um diese Unsicherheiten in den Klimaprognosen zu verringern“, erklärt Erstautorin Elizabeth Barnes von der Colorado State University. „Diese KI-Systeme lernen anhand der vielen schon existieren Klimasimulationen. Sie verfeinern ihre Prognosen dann aber auf Basis von Beobachtungsdaten aus der realen Welt.“

Für ihre Studie trainierten Barnes und ihr Team mehrere neuronale Netzwerke (CNN) mithilfe der Daten von zehn globalen Klimamodellen aus dem CMIP6-Projekt. Dabei lag der Fokus jedes dieser KI-Systeme auf einer anderen Region der Erde. Aufgabe der KI-Modelle war es, die Temperaturentwicklung jeder dieser insgesamt 34 Regionen zu rekonstruieren. Nach diesem Grundlagentraining erhielten alle KIs ein Finetuning, in dem sie ihre Prognosen mit der Karte der Temperaturanomalien des Jahres 2023 abgleichen konnten.

Zwei Grad schon bis 2040, drei Grad bis 2060

Das Ergebnis sind Klimaprognosen, die verraten, wann und wo die regionalen Schwellen von 1,5 sowie zwei und drei Grad Erwärmung im mehrjährigen Durchschnitt überschritten werden. Demnach wird die 1,5-Grad-Marke in allen Regionen der Erde spätestens im Jahr 2040 überschritten sein. Schon jetzt ist dies in einem Großteil der irdischen Landfläche der Fall, darunter auch bei uns in Europa.

Die KI-gestützten Prognosen zeigen zudem, dass eine Erwärmung um zwei und drei Grad in den meisten Regionen früher erreicht wird als nach gängigen Modellen erwartet. „Es gibt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für zwei Grad Erwärmung schon bis 2040“, berichten Barnes und ihr Team. Dies galt für 31 der 34 untersuchten Regionen. 26 dieser Gebiete könnten schon bis 2060 sogar die Schwelle von drei Grad Erwärmung reißen.

Zu diesen sich besonders schnell erwärmenden Regionen gehören auch Mitteleuropa und der Mittelmeerraum, sowie große Teile Südasiens und Afrikas südlich der Sahara, wie das Team ermittelte.

Bessere Vorwarnung für betroffene Regionen

Nach Ansicht der Forschenden eröffnet die KI-gestützte Klimamodellierung neue Möglichkeiten, die Klimaprognosen zu verbessern und zu präzisieren – insbesondere, wenn es darum geht, die noch verbleibende Zeit bis zum Erreichen regionaler Erwärmungsschwellenwerte zu ermitteln. „Unsere Arbeit unterstreicht, wie wichtig es ist, innovative KI-Techniken auch in die Klimamodellierung zu integrieren“, sagt Barnes.

Dies könnte dabei helfen, besonders betroffene Regionen frühzeitig auf das Kommende vorzubereiten und entsprechende Anpassungen einzuleiten. „Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Erwärmung in vielen Regionen schon in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten erreicht werden, bringt große Risiken mit sich“, erklären Barnes und ihre Kollegen. So drohen schwerwiegende Folgen für Wasserressourcen, Nahrungssicherheit, Ökosysteme, die menschliche Gesundheit und Wetterextreme. (Environmental Research Letters, 2024; doi: 10.1088/1748-9326/ad91ca)

Quelle: Environmental Research Letters, IOP Publishing

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