Überraschende Wende: Der Südpol hat sich in den letzten 30 Jahren um 0,6 Grad pro Dekade erwärmt – das ist dreimal so viel wie im globalen Mittel. Dafür hat sich die Erwärmung der Westantarktis in dieser Zeit messbar abgeschwächt. Als primäre Ursache für diesen Wandel identifizierten die Forscher zwei natürliche Klimaschwankungen, deren Einfluss den des anthropogenen Klimawandels weit übertrifft, wie sie im Fachmagazin „Nature Climate Change“ berichten.
Der Südpol und das antarktische Plateau galten lange als kälteste und stabilste Region der Antarktis. Im Osten des Plateaus wurden sogar noch vor kurzem die tiefsten Temperaturen der Erde gemessen. Während in der Westantarktis die Gletscher und Schelfeise im Rekordtempo abtauen, blieben die Werte im Inneren des eisigen Kontinentes jahrzehntelang stabil. Bis in die 1980er Jahre hinein kühlte sich der Südpol sogar eher ab.
0,6 Grad Erwärmung pro Dekade
Doch das hat sich nun geändert, wie eine Auswertung von Temperaturdaten von der Amundsen-Scott-Südpolstation belegen. Wie Kyle Clem von der Victoria University of Wellington und seine Kollegen feststellten, hat sich der stabile Abkühlungstrend Ende der 1980er Jahre umgekehrt. „Die letzte 30-Jahres-Periode von 1989 bis 2018 hat mit einem Temperaturanstieg von 0,61 Grad pro Dekade den stärksten Erwärmungstrend seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt“, berichten sie.
Das bedeutet: Der Südpol hat sich damit dreimal stärker erwärmt als das globale Mittel, das bei rund 0,2 Grad pro Dekade liegt. Wie die Forscher berichten, hat der Südpol seit 1989 zudem schon vier Wärmerekorde bei den Jahrestemperaturen erlebt – 2002, 2009, 2013 und 2018. Am stärksten macht sich diese Erwärmung jeweils im Herbst bemerkbar, gefolgt von Sommer und Frühling. Nur im Winter sei der gemessene Erwärmungstrend nicht signifikant, so Clem und seine Kollegen.
Merkwürdig auch: Im gleichen Zeitraum hat sich die Erwärmung in der Westantarktis deutlich auf rund 0,1 Grad pro Dekade abgeschwächt und zum Teil sogar in eine leichte Abkühlung gewandelt.
Natürliche Klimaschwankungen als Treiber
Was aber ist der Grund für diesen Wechsel? Auf der Suche nach Antworten analysierten Clem und sein Team die Klima- und Luftdruckverhältnisse über den angrenzenden Meeren wie dem an den Atlantik angrenzenden Wedellmeer, aber auch im Südpazifik. Es zeigte sich: In den letzten 30 Jahren bildeten sich über dem Wedellmeer häufig starke Tiefdruckgebiete, deren Winde warm-feuchte Meerluft bis ins Innere der Antarktis strömen ließen.
Nähere Analysen mithilfe von Klimamodellen ergaben, dass diese Anomalie über dem Wedellmeer primär von einer Kombination zweier natürlicher Klimaschwankungen angetrieben wird. Die erste ist die interdekadische pazifische Oszillation (IPO), die in den 1980er Jahren in ihre negative Phase eintrat. In dieser erwärmt sich der tropische Westpazifik und treibt Luftströmungen und Tiefdruckgebiete weit nach Süden.
Der zweite Einflussfaktor ist der sogenannte Southern Annular Mode (SAM) – ein Windband, das die Antarktis umgibt. In einer negativen Phase des SAM liegt es weiter vom Kontinent entfernt, in einer positiven Phase dagegen näher. „Die 2000er und 2010er Jahre sind die einzigen Dekaden seit 1957, in denen ein negativer IPO mit einem positiven SAM zusammenfielen“, berichten Clem und sein Team. „Diese Kopplung von negativem IPO und positivem SAM könnte zur ungewöhnlich starken Erwärmung der letzten Dekaden beigetragen haben.“
Und der Klimawandel?
Bleibt die Frage, ob auch der menschengemachte Klimawandel eine Rolle für die Erwärmung des Südpols gespielt haben könnte. Doch wie Klimasimulationen mit und ohne den anthropogenen Treibhauseffekt ergaben, ist sein Einfluss offenbar nur gering. „Die dekadische Variabilität übertrifft das anthropogene Signal um den Faktor drei“, sagen Clem und seine Kollegen. „Das stützt unsere Schlussfolgerung, dass die extremen natürlichen Schwankungen den Effekt der anthropogenen Erwärmung im Inneren der Antarktis maskieren.“
Das bedeutet nicht, das der Klimawandel keinen Einfluss auf das Klima der inneren Antarktis hat. Seine Wirkung ist aber wegen der ausgeprägten natürlichen Schwankungen nicht eindeutig nachweisbar. Ob und in welchem Maße die globale Erwärmung möglicherweise die Stärke der Klimaschwankungen beeinflusst, müssen weitere Studien zeigen. (Nature Climate Change, 2020; doi: 10.1038/s41558-020-0815-z)
Quelle: Nature Climate Change