Trauriger Rekord: In Europa fließt kein einziger Fluss mehr ungehindert von der Quelle zur Mündung. Stattdessen stören mehr als 1,2 Millionen Wehre, Dämme oder Schleusen den Lauf der Fließgewässer. Damit kommt im Mittel auf alle 108 Meter eine Barriere – mehr als irgendwo sonst auf der Welt, wie Forscher im Fachmagazin „Nature berichten. Am stärksten ist die Fragmentierung der Flüsse im dicht besiedelten Mitteleuropa, am geringsten in den entlegenen Regionen Skandinaviens, Schottlands oder Islands.
Flüsse sind wichtige Lebensräume und bedeutende „Adern“ der globalen Stoffkreisläufe. Auf für uns Menschen sind sie unverzichtbar: Sie liefern uns Trinkwasser, treiben Wasserkraftwerke an und ermöglichen den Transport von Gütern. Doch an den Gewässern ist dies nicht spurlos vorübergegangen: Durch Staudämme, Wehre, Schleusen und andere Bauten hat der Mensch den Lauf der Flüsse gezähmt und verändert. 2019 ergab eine Studie, dass weltweit nur noch ein Drittel aller Flüsse ungehindert dahinströmt.

Daten aus 120 Datensammlungen und 36 Ländern
Doch wie sieht es damit in Europa aus? Das haben nun Barbara Belletti vom Polytechnicum in Mailand und ihre Kollegen in der bisher umfassendsten Erhebung ermittelt. Dafür sammelten sie Daten zu Wehren, Schleusen und Dämmen in 36 europäischen Ländern aus 120 regionalen, nationalen und globalen Datensammlungen. Diese Daten glichen sie untereinander ab und klassifizierten die Barrieren in sechs Kategorien.
Zusätzlich überprüften sie viele Einträge durch Besuche vor Ort. Bei diesen liefen die Forscher jeweils einen 20 Kilometer langen Flussabschnitt ab und kartierten alle Barrieren, die sie im Wasser erkennen konnten. Insgesamt erfassten die Wissenschaftler bei diesen Exkursionen 147 Flüsse und eine Gewässerlänge von 2.715 Kilometern, das entspricht rund 0,16 Prozent des gesamten europäischen Flussnetzwerks. Auf Basis aller Daten erstellten sie ein Modell, das die Fragmentierung für das gesamte europäische Flussnetzwerk von mindestens 1,65 Millionen Kilometer Länge zeigt.