Ökologie

Europas Amphibien und Reptilien in Gefahr

EU: Bedrohliche Entwicklungen bei Eidechsen, Salamandern und Kröten

In Europa sind ein Fünftel der Reptilien und fast ein Viertel der Amphibien vom Aussterben bedroht. Das haben Studien ergeben, die die Weltnaturschutzunion IUCN im Auftrag der EU-Kommission durchgeführt hat. Die zum Internationalen Tag der Artenvielfalt am 22. Mai 2009 präsentierten Berichte zeigen bedrohliche Entwicklungen bei den Populationen von Eidechsen, Salamandern und Kröten auf.

Diese Arten sind noch stärker gefährdet als Säugetiere und Vögel. Daher werden sie nun in der europäischen Roten Liste als bedroht eingestuft. Als Ursache für ihre Dezimierung gelten die Zerstörung ihres natürlichen Lebensraums, der Klimawandel und die Umweltverschmutzung.

„Dies ist gerade am Internationalen Tag der Artenvielfalt eine ernüchternde Feststellung. Trotz strenger Rechtsvorschriften zum Schutz unserer Lebensräume und der meisten betroffenen Arten sind nun fast ein Viertel aller Amphibienarten in Europa bedroht. Dieser Zustand ist auf den enormen Druck zurückzuführen, den wir auf Flora und Fauna in Europa ausüben, und zeigt, dass wir unsere Beziehung zur Natur überdenken müssen“, sagte EU-Umweltkommissar Stavros Dimas. „Ich fordere daher Bürger, Politiker und die Industrie auf, unsere vor kurzem abgegebene Botschaft aus Athen zu bedenken und die Belange des Artenschutzes in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Diese Trends müssen aufgehalten werden.“

Klimawandel und Zerstörung der Lebensräume

Und Helen Temple, Mitautorin der Studie, fügte hinzu: „Südeuropa hat besonders reichhaltige Amphibienbestände, doch Klimawandel und andere Bedrohungen üben einen enormen Druck auf ihre Süßwasserlebensräume aus. In ganz Europa werden die natürlichen Lebensräume durch wachsende Bevölkerungszahlen, die Intensivierung der Landwirtschaft, die Zersiedelung der Landschaft und die Umweltverschmutzung immer mehr eingeengt. Das sind schlechte Nachrichten für Amphibien und Reptilien.“

Bei mehr als der Hälfte aller europäischen Amphibien (59 Prozent) und bei 42 Prozent der Reptilien gehen die Bestände zurück. In Europa sind 151 Reptilienarten und 85 Amphibienarten beheimatet, und viele dieser Arten gibt nirgendwo sonst auf der Welt. Sechs Reptilienarten, darunter die Teneriffa-Rieseneidechse (Gallotia intermedia) und die Äolische Mauereidechse (Podarcis raffonei), sind als „stark bedroht“ eingestuft.

Das bedeutet, dass ein äußerst hohes Risiko besteht, dass diese Art in der freien Wildbahn ausstirbt. Elf weitere sind als „bedroht“ eingestuft (d. h. es besteht ein sehr hohes Risiko des Aussterbens in der freien Wildbahn) und zehn als „gefährdet“ (hohes Risiko des Aussterbens in der freien Wildbahn).

Zwei Arten „stark bedroht“

Bei den Amphibien, einer Gruppe, die Frösche, Kröten, Salamander und Molche umfasst, sind zwei Arten als „stark bedroht“ eingestuft: der Karpathos-Wasserfrosch (Pelophylax cerigensis) und der Montseny-Gebirgsmolch (Calotriton arnoldi), der einzige endemische Molch Spaniens. Fünf weitere, darunter die Apennin-Gelbbauchunke (Bombina pachypus), sind als „bedroht“ und elf als „gefährdet“ eingestuft.

Die Amphibien- und Reptilienbestände sind damit sogar in noch schlechterem Zustand als andere Artengruppen: Bei Säugetieren sind 15 Prozent, bei Vögeln 13 Prozent bedroht. Es sind sicher noch mehr Gruppen in Gefahr, doch nur diese beiden Gruppen wurden nach den Leitlinien der IUCN für die regionale Rote Liste auf europäischer Ebene umfassend bewertet.

„Botschaft aus Athen“

Die biologische Vielfalt – das Netz des Lebens, von dem wir abhängen – geht auf der ganzen Welt zurück. Die größte Gefahr für Reptilien und Amphibien in Europa ist der Verlust ihrer Lebensräume. Andere Gefahren gehen vom Klimawandel, von der Umweltverschmutzung und von invasiven fremden Arten aus. Die Europäische Union hat sich verpflichtet, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 aufzuhalten, und dazu einen Aktionsplan für Biodiversität aufgestellt.

Im vergangenen Monat wurde im Achtpunkteplan der „Botschaft aus Athen“ nachdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, mehr für die Erhaltung der Arten zu tun. Dazu muss die Öffentlichkeit besser über die Bedeutung der Artenvielfalt aufgeklärt werden, es müssen mehr Gelder für den Artenschutz zur Verfügung gestellt werden, und die Belange des Artenschutzes müssen stärker in anderen Politikbereichen berücksichtigt werden.

Das Ende der Vielfalt?

Dass tatsächlich größere Erfolge in Sachen Biodiversität gelingen könnten, hat der WWF anlässlich des International Tags der Biodiversität bezweifelt. Nach Ansicht der Natur- und Umweltschutzorganisation werden sowohl die Vereinten Nationen als auch die Europäische Union mit dem Ziel scheitern, den Artenschwund bis zum Jahr 2010 zu stoppen oder zumindest signifikant zu verringern.

„Der Verlust der biologischen Vielfalt hat sich in Europa und weltweit in den vergangenen Jahren sogar noch beschleunigt“, warnt Günter Mitlacher von der Umweltstiftung WWF. Die menschenverursachte Aussterbe-Rate von Tieren und Pflanzen ist nach WWF-Angaben zwischen hundert- und tausendmal höher als der natürliche Artenschwund, den es schon immer gegeben hat.

Bemühungen unbefriedigend

Ein Jahr nach dem UN-Umweltgipfel zum „Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ (CBD) in Bonn bezeichnete die Umweltschutzorganisation WWF die Bemühungen der deutschen Präsidentschaft und der weltweiten Staatengemeinschaft im Kampf gegen den Artenschwund als „insgesamt unbefriedigend“ und zu langsam. Der WWF fordert die Einrichtung eines UN-Weltrats zum Schutz der biologischen Vielfalt. Das wissenschaftliche Gremium soll ähnlich dem Weltklimarat die Regierungen im Kampf gegen den Artenschwund beraten, unterstützen und die Dringlichkeit des Handelns verdeutlichen. Außerdem müsse die Schlagzahl der Aktivitäten erhöht werden.

„Bis zur nächsten CBD-Konferenz 2010 in Japan muss die deutsche Präsidentschaft dafür sorgen, dass der Weltrat zur Biodiversität beim UN-Umweltprogramm eingerichtet wird“, sagt Mitlacher. Nach Ansicht des WWF hat die deutsche Bundesregierung auch die Hausaufgaben im eigenen Land nicht gemacht. „In Deutschland sind die Bemühungen, den Artenschwund zu stoppen, bestenfalls halbherzig“, so Mitlacher. Die Zahl der bedrohten Biotope sei zwischen 1994 und 2006 von 68,7 auf 72,5 Prozent gestiegen.

Auch die Ziele, zwei Prozent Deutschlands als unberührte Wildnis zu etablieren und fünf Prozent der Wälder sich selbst zu überlassen, liegen noch in weiter Ferne. „Die Einschätzung von Bundesminister Gabriel, der Schutz der Natur habe endlich Fahrt aufgenommen, kann der WWF nicht uneingeschränkt teilen“, sagt Mitlacher. Zwar habe der Minister sein Naturschutzengagement deutlich gesteigert, die Trendwende sei jedoch bislang ausgeblieben.

(EU/WWF, 22.05.2009 – DLO)

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