Ob tropischer Regenwald, geheimnisvolle Inkas oder majestätische Vulkangipfel – die Anden gehören wohl zu den faszinierendsten Hochgebirgen unserer Erde. Viele Regionen sind aber auch heute noch nur ansatzweise erforscht. In einem Interview berichtet der Nachwuchswissenschaftler Volker Heck über seine geoökologische Dissertation in einem kolumbianischen Hochgebirgs-Nationalpark und die Arbeitsbedingungen vor Ort.
GeoUnion:
Beschreiben Sie kurz den Nationalpark. Was wird dort geschützt?
Heck:
Der Puracé-Nationalpark liegt im Süden Kolumbiens auf einer Höhe zwischen 3.000 und 4.600 Metern. Durch die Lage in den inneren Tropen sind die Hänge selbst in dieser Höhe noch mit dem so genannten Páramo bewachsen, einer typisch hochandinen Graslandschaft mit Übergängen in die niedriger gelegenen Berg- und Nebelwälder. Diese Vegetation ist speziell an die extremen Bedingungen in der Höhe wie häufige Frostwechsel, starke Sonneneinstrahlung und geringe Niederschläge angepasst. Der Nationalpark ist in etwa so groß wie die deutsche Insel Rügen und wird vom episodisch schneebedeckten und noch aktiven Vulkangipfel des Puracé überragt. Die vier größten Flüsse des Landes haben hier ihre Quellgebiete, was den Nationalpark auch überregional bedeutend macht.
GeoUnion:
Was sind die größten Probleme im Nationalpark?
Heck:
Obwohl dieser Teil des Hochgebirges bereits seit 1959 unter Naturschutz steht, ist die Umsetzung aus zwei Gründen bis heute äußerst schwierig. Zum einen besitzen die Ureinwohner, die so genannten Indigena, verbriefte Rechte, in ihrem angestammten Siedlungsraum weiterhin wirtschaften zu dürfen. Zum anderen ist das Umland mit der Großstadt Popayán relativ dicht besiedelt. So wird bis in die Gipfellagen hinein Weidewirtschaft betrieben oder es werden immer wieder große Teile des Parks für die Landwirtschaft gebrannt. Touristen verschlägt es bislang kaum in diese Region, da das Klima für die wärmeliebenden Kolumbianer bereits zu extrem ist. Auch der Trekking- und Wandertourismus durch ausländische Gäste bildet aufgrund der innenpolitischen Lage in Kolumbien eher die Ausnahme.
GeoUnion:
Was war das Ziel Ihrer Dissertation?
Heck:
Wie stark ist der menschliche Einfluss auf die Landschaftsentwicklung? Wo wächst welche Vegetationsgesellschaft auf welchem Boden? Wie sehen das Relief und der Untergrund aus? Diese Fragen konnte ich durch meine Arbeit erstmals für den Park beantworten. Hierfür musste jedoch zunächst ein methodisches Problem gelöst werden, da es in Südamerika und speziell in den Hochanden keine einheitlichen Standards zur wissenschaftlichen Kartierung gibt. Daher war das eigentliche Ziel meiner Arbeit, eine Methode zu entwickeln, die speziell auf solch entlegene Ökosysteme zugeschnitten ist. Als Grundlage diente mir dazu eine mitteleuropäische Kartieranleitung, die ich an die Verhältnisse in Südamerika anpassen konnte.
Besonders wichtig war dabei, dass sich der eigens von mir entwickelte Kartierschlüssel problemlos in die bestehende kolumbianische Raumordnungsmethodik integrieren ließ. Inzwischen hat sich dies jedoch schon im Praxistest bewährt, da ich bereits zusammen mit Kollegen von der Universität Popayán einige exemplarische Feldkartierungen durchführen und Bodenproben analysieren konnte. Sollte sich nun, wie ich hoffe, die Kartieranleitung vor Ort weiter durchsetzen, könnte dies die Arbeit der einheimischen Wissenschaftler bei ähnlichen Projekten zukünftig erheblich erleichtern. Um die potenziellen Einsatzmöglichkeiten zu erweitern, ist die Kartieranleitung auch auf andere, ähnliche Ökosysteme übertragbar.
GeoUnion:
Sie haben viel mit Satelliten- und Luftbildern gearbeitet. Warum?
Heck:
Der Puracé Nationalpark ist, obwohl relativ zentral in Kolumbien gelegen, ein sehr abgelegener Raum. Es stehen nur sehr schlechte Karten des Parks zur Verfügung. Einerseits dienten die aktuellen Luft- und Satellitenbilder daher dazu, die zum Teil hoffnungslos veralteten Karten zu aktualisieren. Zugleich wollte ich aber nicht nur kleinräumige Kartierungen mit Bohrstock und Bodenproben vornehmen, sondern Aussagen über den gesamten Nationalpark treffen. In einigen Testgebieten habe ich daher möglichst genau „vor Ort“ die Landschaftsmerkmale bestimmt. Im Vergleich mit den entsprechenden Regionen auf den Luft- und Satellitenbildern ließen sich diese Ergebnisse dann mithilfe einer speziellen Software auf die ganze Fläche übertragen. Als Ergebnis liegt nun die erste einheitliche geoökologische Karte des Puracé-Nationalparks vor.
GeoUnion:
Sie haben mehrere Monate in Kolumbien gelebt. Wie sind dort die wissenschaftlichen Arbeitsbedingungen?
Heck:
Die Arbeitsbedingungen sind mit denen in Mitteleuropa nicht zu vergleichen. Vor allem die Zusammenarbeit mit den Menschen und Institutionen vor Ort hat einen viel höheren Stellenwert als bei uns. Speziell in Kolumbien läuft man natürlich auch Gefahr, zwischen die Fronten zu geraten. So mussten beispielsweise während meines Aufenthaltes Absprachen mit den örtlichen Cabildos, also den Indigena-Vertretungen, der Nationalparkbehörde, den Gemeinden und auch der Guerilla getroffen werden. Dies funktionierte nur über die seit langem gewachsenen persönlichen Kontakte und das Engagement der lokalen Partner wie den Kollegen von der staatlichen Universität Popayán.
Doch trotz einer vorausschauenden Planung muss man sich immer wieder auf lange Wartezeiten einstellen, sei es, weil die Absprachen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht eingehalten werden, oder die innenpolitische Situation Geländearbeiten nicht zulässt. Schließlich machen diese Unwägbarkeiten einen Geländeaufenthalt schwierig, zumal mitteleuropäische Selbstverständlichkeiten wie eine hundertprozentige Stromversorgung oder ein Internetzugang nicht immer sicher gestellt sind. Doch trotz aller Widrigkeiten hat mich neben der natürlichen Schönheit des Landes auch stets die Herzlichkeit der Menschen vor Ort fasziniert, egal ob seitens der lokalen Bevölkerung oder der Wissenschaftler untereinander.
GeoUnion:
Vielen Dank für das Gespräch.
Online-Ausgabe der Dissertation (PDF, 10 MB)
Volker Heck: Geoökologische Untersuchungen im PNN Puracé / Kolumbien : ein Ansatz zur Optimierung der Erfassung von Geo- und Bio-Ressourcen in hochandinen Ökosystemen. Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, 2006
(Volker Heck; Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 02.01.2007 – AHE)