Staubiger Tod: Am Aussterben der Dinosaurier waren nicht nur Schockwellen, Feuer und Rauch schuld, sondern auch in die Atmosphäre geschleuderter Staub, wie eine neue Klimasimulation nahelegt. Beim Asteroideneinschlag pulverisiertes Silikat könnte demnach maßgeblich für einen 15 Jahre andauernden globalen Winter verantwortlich gewesen sein. Der damit einhergehende Mangel an Sonnenlicht hätte die Photosynthese aller Pflanzen fast zwei Jahre lang komplett verhindert und so ganze Nahrungsketten kollabieren lassen, wie die Forschenden in „Nature“ berichten.
Als vor 66 Millionen Jahren ein zehn bis 15 Kilometer großer Asteroid auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán einschlug, brachte er unzähligen Dinosauriern innerhalb kürzester Zeit den Tod. Sie starben durch den Einschlag selbst, durch dessen Schockwelle, durch Tsunamis, Glasregen und Waldbrände. Diese Katastrophe verstärkte die Folgen der gewaltigen Vulkanausbrüche in den westindischen Dekkan-Trapps, die damals enorme Mengen an klimawirksamen Gasen und Rauch in die Atmosphäre schleuderten.
Paläontologen vermuten, dass diese doppelte Katastrophe auch noch Jahre später ihren Tribut forderte und zwar in Form eines globalen Einschlagswinters mit eisigen Temperaturen und tiefer Dunkelheit. Weltweit konnten Pflanzen keine Photosynthese mehr betreiben. Sie starben – ebenso wie komplette Nahrungsketten, die auf ihnen aufbauten.
Dem tödlichem Staub auf der Spur
Schuld an der verheerenden Kälteperiode war gängiger Annahme nach ein aus Rauch, Schwefelgasen und Staub bestehender Aerosol-Schleier in der Atmosphäre, der die Erde von der Sonne abschirmte und so auskühlen ließ. Viele der nur wenige Mikrometer großen Tröpfchen und Partikel stammten aus beim Einschlag pulverisiertem Gestein und aus Vulkanausbrüchen. Andere Schwebstoffe wie Ruß gelangten durch die vom Einschlag ausgelösten, großflächigen Waldbrände in die Atmosphäre. Welche Schwebstoffe einst die größte Klimawirkung entfalteten, gilt jedoch als umstritten.
Um mehr über die Folgen der verschiedenen Partikelsorten herauszufinden, haben Forschende um Cem Berk Senel von der Königlichen Sternwarte Belgiens nun eine besondere Gesteinsschicht im US-Bundesstaat North Dakota untersucht. Sie spiegelt die atmosphärische Ablagerung von feinem Silikatstaub nach dem Einschlag vor 66 Millionen Jahren wider. Mit spezieller Lasertechnik konnten Senel und seine Kollegen zunächst die Körnergröße des Silikatstaubs ermitteln und dann hochrechnen, wie viel davon sich einst in der Atmosphäre befunden haben muss.
Indem das Team diese und vergleichbare Informationen zu Schwefel– und Rußpartikeln in eine spezielle Paläoklima-Simulation einpflegte, konnte es ermitteln, wie sich die verschiedenen Sorten von Schwebstoffen einst in der Atmosphäre verhalten haben und welche Folgen sie für das Leben auf der Erde hatten.
Silikatstaub tödlicher als gedacht
Die Analyse hielt zunächst eine Überraschung bereit: Die Silikatpartikel in North Dakota waren mit einer Größe von 0,8 bis acht Mikrometern deutlich feinkörniger als bislang angenommen, wie Senel und sein Team berichten. Ihnen zufolge könnte die Bedeutung von Silikatstaub innerhalb des atmosphärischen Schleiers daher deutlich gravierender gewesen sein als gedacht, weil feiner Staub Sonnenlicht effektiver abblockt als grobe Körner.
Hinzu kommt, dass die schiere Menge an Silikatstaub offenbar lange unterschätzt wurde: „Unsere Simulationen zeigen eine Welt nach dem Einschlag, in der Silikatstaub die größte ausgeworfene Masse darstellt“, sagen die Wissenschaftler. Ihren Berechnungen zufolge befanden sich kurz nach dem Einschlag eine Billion Tonnen Staub in der Atmosphäre, ein wenig mehr als atmosphärische Schwefelgase. Ruß steuerte hingegen „nur“ eine Milliarde Tonnen zum Aerosol-Schleier bei.
Photosynthese setzte zwei Jahre lang aus
Berücksichtigt man diese neuen Erkenntnisse über die Rolle von Silikatstaub, zeigen die Klimasimulationen verheerende Szenarien für die Welt vor 66 Millionen Jahren. Demnach befanden sich wahrscheinlich noch 15 Jahre nach dem Einschlag Silikat- und Rußpartikel in der Atmosphäre und ließen den globalen Winter andauern. Sie sorgten dafür, dass sich die Erdoberfläche insgesamt um bis zu 15 Grad abkühlte und erst 20 Jahre nach dem Einschlag wieder von diesem Temperatursturz erholte, berichten die Forschenden.
Eine so lange anhaltende Kälte und Dunkelheit hätte verheerende Auswirkungen auf das Leben unseres Planeten gehabt. Laut Simulation von Senel und seinem Team drangen nach dem Einschlag so wenig Sonnenstrahlen bis zur Oberfläche durch, dass die Pflanzen weltweit fast zwei Jahre lang keine Photosynthese mehr betreiben konnten. „Dies ist eine ausreichend lange Zeitspanne, um sowohl terrestrische als auch marine Lebensräume vor große Herausforderungen zu stellen“, erklären die Forschenden.
Tödliche Kaskade
Ohne Photosynthese stellten die Pflanzen ihr Wachstum ein und starben schließlich ab. Pflanzenfresser fanden nichts mehr zu fressen, starben ebenfalls und ließen so Schritt für Schritt auch die Nahrung für Fleischfresser knapp werden. „Biotische Gruppen, die nicht angepasst waren, um die dunklen, kalten und nahrungsarmen Bedingungen fast zwei Jahre lang zu überleben, wären massiv ausgestorben“, fassen Senel und seine Kollegen zusammen.
Gute Überlebenschancen hatten nach der Katastrophe nur wenige. Zum Beispiel Pflanzen, deren Samen lange im Ruhezustand überdauern, oder Tiere, die per Winterschlaf in einen Energiesparmodus verfallen können. Als die Photosyntheseleistung laut Simulation nach rund vier Jahren wieder den Normalzustand erreicht hatte, gehörten diese Spezies zu den wenigen Überlebenden – und ließen eine neue Ära der Erdgeschichte beginnen. (Nature Geoscience, 2023; doi: 10.1038/s41561-023-01290-4)
Quelle: Nature Geoscience