Archäologie

Felsbilder verraten Glauben der Steinzeitmenschen

Größte Ansammlung präkolumbianischer Felskunst enthüllt dreigeteiltes Weltbild

Präkolumbianisches Felsbild: Vogelwesen mit zeremoniellen Objekten © Jan Simek et al. /Antiquity Publications

Steinzeitliche Felsbilder im US-amerikanischen Tennessee haben sich als die umfangreichste und älteste Ansammlung präkolumbianischer Kunst entpuppt. Und noch spannender: Die Lage und Ausführung dieser Bilder spiegelt in einzigartiger Weise das dreigeteilte Weltbild dieser steinzeitlichen Menschen wider. Sie glaubten an eine Art Himmel, die Menschenwelt und die Unterwelt. Das entdeckten US-Archäologen, als sie die Region systematisch nach diesen Relikten durchkämmten.

Dichte Wälder aus Eichen und Hickory, steile Sandstein-Klippen und zerklüftete Höhen: Das Cumberland Plateau in Tennessee ist eine wilde Landschaft. Noch heute liegt hier eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete der USA. Dass hier auch schon vor tausenden von Jahren Menschen lebten, davon zeugen steinzeitliche Felsbilder und Höhlenmalereien. „Wir wissen, dass Menschen auf dieses Plateau kamen, um Nahrung zu finden und andere Ressourcen wie Holz zu gewinnen“, erklärt Koautorin Sarah Sherwood von der University of the South in Sewanee. Felsbilder seien ein integraler Teil ihrer Kultur gewesen und ein Ausdruck dessen, wie diese Menschen ihre Umwelt wahrnahmen und nutzten.

Geritzt, gemalt in Ton gezeichnet

„Die systematische Felderkundung in Tennessee hat einen wahren Schatz an zuvor unbekannter Felskunst enthüllt – einiges davon tief in Höhlen verborgen, anderes an der frischen Luft, sagt Erstautor Jan Simek von der University of Tennessee. Die Malereien und Ritzzeichnungen seien zwischen 6.000 und rund 3.000 Jahre alt. Dazu gehören neben Petroglyphen in freiliegenden Sand- und Kalksteinflächen auch Malereien an senkrechten Felswänden sowie Höhlenbilder – geritzt, gemalt oder in einer Art Ton gezeichnet.

Um mehr über die Bedeutung und Inhalte der Felsbilder herauszufinden, untersuchten Simek und seine Kollegen insgesamt 44 Open Air Kunstwerke und 50 Höhlenmalereien auf dem Cumberland Plateau. Mit Hilfe von Laserscannern gelang es ihnen, selbst verblasste und beschädigte Steinzeit-Kunstwerke zu erkennen und zu analysieren.

Landschaft als dreidimensionale Leinwand

Dabei stießen die Forscher auf einen überraschenden Zusammenhang von Farben, Inhalten und der jeweiligen Lage der Bilder: „Offensichtlich haben die Steinzeitbewohner dieser Region die Eigenheiten der Landschaft bewusst als eine Art topografische Leinwand genutzt, um ihr Weltbild darzustellen“, erklärt Simek. Die Künstler teilten ihre dreidimensionale „Leinwand“ dabei in drei deutlich erkennbare Bereiche ein:

Die Bilder, die an den offenen, der Sonne zugewandten Felswänden der Hügelgipfel und oberen Schluchtränder liegen, stellen meist Szenen der „oberen Welt“ dar, wie die Forscher erklären. In diesen Ritzzeichnungen und Malereien dominieren Strahlenkreise als Symbole für Sonne und Sterne, aber auch Linien und Formen, die Regen und andere Wettereignisse darstellen. Häufig zeigen sie auch menschenähnliche Gestalten mit Hörnern, besonders langen Armen oder Fingern und anderen Besonderheiten.

Himmel, Erde und Unterwelt

Nach Ansicht der Archäologen symbolisieren diese Darstellungen eine Art himmlische Sphäre – den Ort, an dem höhere Gewalten herrschen und das menschliche Schicksal bestimmen. Die Felsmalereien seien meist in roter Farbe ausgeführt – sie stehe in vielen prähistorischen Kulturen für das Leben. Tiefer liegende Freilandbilder und einige Höhenmalereien repräsentieren dagegen die mittlere, die natürliche Welt, erklären Simek und seine Kollegen. Sie zeigen neben Menschenfiguren in Alltagssituationen auch zahlreiche Tiere und Pflanzen.

Die „Unterwelt“ bildeten die Steinzeitkünstler dagegen in den tieferen Zonen der Höhlen ab. Meist schwarz eingefärbt, tummeln sich hier seltsame Mischwesen, aber auch Schlangen und hundeähnliche Gestalten, die offenbar als Begleiter der Toten galten. „Interessanterweise gehören aber auch Vögel, meist im Flug gezeichnet, zu den häufigsten Darstellungen der Felskunst in diesen dunklen Zonen“, berichten die Forscher.

Vögel als Wanderer zwischen den Welten

Das sei erstaunlich, denn auf der Basis anderer präkolumbianischer Felszeichnungen des amerikanischen Südwestens habe man sie bisher eher als der himmlischen Sphäre zugehörend interpretiert. Auf dem Cumberland Plateau finden sich die Vogelbilder dagegen fast ausschließlich in den Höhlen. Vielleicht symbolisiert dies im Glauben der dort lebenden Steinzeitmenschen, dass auch die Unterwelt für Seelen durchlässig ist, mutmaßen die Archäologen.

„Unsere Ergebnisse öffnen uns ein Fenster in das, was die Ureinwohner Amerikas vor mehr als 6.000 Jahren glaubten“, sagt Simek. Offenbar sei das Cumberland Plateau eine Art heiliges Terrain gewesen, das sich über hunderte Kilometer erstreckte – quasi eine Art Bühne für ihr dreigeteiltes Universum, in dem sich eine Vielfalt von Wesen tummelte, von mythischen Gottgestalten über Monster bis hin zu Kreaturen, die zwischen den Ebenen wechseln konnten. (Antiquity,, 2013; Vol. 87 Number 336 Page 430–446)

(University of Tennessee, 21.06.2013 – NPO)

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