Geowissen

Flüssiges Grundwasser in der Antarktis

Netzwerk von Salzwasser führenden Schichten ermöglicht mikrobielles Ökosystem

Wright Valley, eines der McMurdo-Trockentäler in der Antarktis. Durch dieses Tal fließt der Onyx River, mit 32 Kilometern der längste antarktische Fluss. © Melissa Li, National Science Foundation

Eiskalt und staubtrocken – aber alles andere als tot: Die lebensfeindlichen Trockentäler der Antarktis verfügen über ein Netzwerk von salzigem, flüssigem Grundwasser. Darin könnte auch an einem der lebensfeindlichsten Orte der Erde mikrobielles Leben möglich sein, meinen Forscher. Da die Lebensbedingungen der trockenen und eiskalten Täler stark der Oberfläche des Mars ähneln, könnte ein ähnliches Grundwasser-Netzwerk auch auf unserem Nachbarplaneten Leben ermöglichen, schreiben die Forscher im Magazin „Nature Communications“.

Die McMurdo-Täler in der östlichen Antarktis liefern auf den ersten Blick ungewöhliches Bild für den eiskalten Kontinent: Sie sind praktisch das ganze Jahr über frei von Eis und Schnee. Das liegt allerdings nicht an ungewohnt sommerlichen Temperaturen: Die Täler gehören zu den trockensten Regionen der Erde. Kalte, trockene Winde wehen hier vom Transantarktischen Gebirge herab und nehmen jegliche Feuchtigkeit mit. Die Täler sind dadurch trockener als die Sahara, abgesehen von einigen Salzseen, die das Tote Meer im Salzgehalt um ein vielfaches übertreffen.

Netzwerk aus konzentrierter Salzlake

Den Untergrund dieser lebensfeindlichen Trockentäler haben Wissenschaftler um Jill Mikucki von der University of Tennessee in Knoxville tiefergehend erforscht. Mit einem System namens SkyTEM untersuchten sie, ob die salzigen Seen isolierte und teilweise unter Gletschern eingeschlossene Pfützen sind, oder ob sie möglicherweise miteinander verbunden sind. SkyTEM besteht aus einer großen elektromagnetischen Antenne, die von einem Helikopter über große, unwegsame Gebiete getragen werden kann. Mit Hilfe des erzeugten Magnetfeldes können die Forscher rund 300 Meter tief in den Untergrund schauen.

Das Ergebnis erstaunte die Wissenschaftler: Sie fanden ein ganzes unterirdisches Netzwerk wasserführender Schichten, das die Seen miteinander verknüpft. Weil das Wasser eher hochkonzentrierter Salzlake ähnelt, bleibt es auch im ewig gefrorenen Boden der Antarktis flüssig. Die salzigen Grundwasser-Schichten erstrecken sich von der Küste etwa zwölf Kilometer weit ins Landesinnere der McMurdo-Trockentäler. Die Salzwasserschichten könnten Überreste eines uralten ausgetrockneten Sees oder sogar eines urzeitlichen Ozeans sein.

Helikopter mit der SkyTEM Antenne über dem antarktischen Taylor-Gletscher mit den Blood Falls. © L. Jansan

Überbleibsel vergangener Ökosysteme

Der Fund liefert wichtige Erkenntnisse über das Ökosystem der Trockentäler: Diese sind nämlich keinesfalls tot, die Salzseen sind mit vielen Mikroorganismen bevölkert, die selbst bei minus 55 Grad Celsius überleben. „Dieses ungefrorene Material scheint ein Überbleibsel vergangener Ökosysteme an der Oberfläche zu sein“, sagt Erstautorin Mikucki, „und es bietet einen Lebensraum für mikrobielles Leben, trotz der extremen Umweltbedingungen.“

Anhand ihrer Erkenntnisse wollen die Wissenschaftler auch rekonstruieren, wie sich diese Ökosystem in den Trockentälern mit der Zeit verändert haben. Das soll auch bei zukünftigen Modellen helfen, insbesondere zum Klimawandel in der Antarktis. Auch was mit Ökosystemen anderer Seen geschieht, wenn diese austrocknen, ließe sich so untersuchen.

Antarktisches Sumpfland als Mars-Modell

Der Fund des salzigen Grundwasser-Netzwerks untermauert das sich wandelnde Bild der Wissenschaft von der Antarktis: Flüssiges Wasser ist dort keineswegs so abwegig wie lange gedacht. Es gibt zahlreiche ungefrorene Seen unterhalb der Gletscher, und etwa die Hälfte des Landes unter dem Eis ähnelt dem, was auf anderen Kontinenten Sumpf oder Marschland wäre. Und auch an diesen abgelegenen und aus unserer Sicht lebensfeindlichsten Orten tummelt sich das Leben.

Zusätzlich zu all diesen Erkenntnissen sind die Trockentäler auch ein Modell für andere lebensfeindliche Regionen – auch jenseits unseres Planeten: Die extreme Kälte und Trockenheit ähneln den Bedingungen auf dem Mars. Der Rover Curiosity hat auch dort flüssiges Salzwasser im Untergrund gefunden. Das Ökosystem der Mikroben in den antarktischen Trockentälern spricht demnach auch dafür, dass Leben auf dem Mars möglich sein könnte. (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms7831)

(Dartmouth College, 29.04.2015 – AKR)

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