Rätselhafte Punkte: In einem Felsunterstand in Frankreich haben Archäologen eine der ältesten Felszeichnungen Europas entdeckt. Es handelt sich um die rund 38.000 Jahre alte Ritzzeichnung eines Auerochsen, der von Punktreihen umgeben ist. Das Besondere daran: Solche Punktreihen finden sich auch in der Grotte von Chauvet und in Höhlenbildern aus der Schwäbischen Alb. Das spricht für eine ortsübergreifende Bedeutung dieser Symbole – auch wenn sie noch nicht entschlüsselt ist.
Schon die ersten Vertreter des Homo sapiens in Europa hinterließen vor rund 40.000 Jahren ihre Kunst an Höhlenwänden und auf Felsbrocken. Diese Kunst der Aurignacien-Kultur reicht von Handabdrücken über einfache Tierfiguren bis hin zu halbabstrakten Darstellungen von Körperteilen und rätselhaften Punktreihen.
Auerochs mit Punkten
Jetzt haben Raphaelle Bourillon von der University of Oxford und ihre Kollegen ein weiteres Beispiel dieser seltsamen Punktreihen entdeckt – eines der bisher ältesten bekannten Kunstwerke mit diesem abstrakten Motiv. Sie entdeckten das Kunstwerk auf einer Steinplatte im Felsuntertand Abri Blanchard in der Dordogne.
Die rund 38.000 Jahre alte Ritzzeichnung zeigt einen stilisierten Auerochsen, der von Punktreihen umgeben ist. „Dieses Bild zeigt signifikante technische und thematische Ähnlichkeiten mit der Höhle von Chauvet, die sich auch in anderen Felszeichnungen aus dem Abri Blanchard finden“, berichten die Forscher. „Die geordneten Punktreihen finden sich in Chauvet, in Süddeutschland und auf einigen andern Objekten aus dem Abri Blanchard und den umgebenden Aurignacien-Stätten.“
Auffallende Gemeinsamkeiten
Was diese Punkte bedeuten, ist bisher völlig unklar. Während sie in der Hohle-Fels-Höhle in der Schwäbischen Alb in Form von roten Doppelreihen auftreten, sind sie in der Höhle von Chauvet und auch im Felsunterstand Abri Blanchard eher gruppenweise zu sehen und stehen meist in der Nähe von Tierfiguren.
Das häufige Auftreten dieser Punktsymbole spricht nach Ansicht der Forscher dafür, dass sie für unsere Vorfahren eine große Bedeutung hatten – auch wenn diese bisher nicht entschlüsselt wurde. „Die Entdeckung der neuen Felsbilder wirft ein neues Licht auf die Muster und Ornamentation zu einer Zeit, als die ersten Menschen sich in Europa verbreiteten“, sagt Koautor Randall White von der New York University.
Obwohl die verschiedenen Gruppen der ersten Homo sapiens weit entfernt voneinander lebten, nutzen sie demnach sehr ähnliche Motive, die durch regional typische Eigenheiten ergänzt wurden. Möglicherweise stützt dies die Theorie, dass unsere Vorfahren die Fähigkeit zur Kunst und erste Motive schon aus Afrika mitbrachten. (Quaternary International, 2017; doi: 10.1016/j.quaint.2016.09.063)
(New York University, 30.01.2017 – NPO)