Nicht der Täter: Der Vulkanausbruch auf der Insel Santorini hat zwar den Niedergang der minoischen Hochkultur gefördert – an der globalen Abkühlung während der Bronzezeit war er jedoch nicht schuld, wie nun eine Studie enthüllt. Der wahre Täter ist demnach der Aniakchak-Vulkan in Alaska, der 1628 vor Christus ausbrach und mehr als 50 Millionen Tonnen Schwefelgase in die Atmosphäre schleuderte. Für das Klima war diese Eruption die folgenreichste der letzte 4.000 Jahre.
Der Ausbruch des Thera-Vulkans in der Ägäis gilt als eine der größten Katastrophen der europäischen Bronzezeit. Die mehrphasige Eruption zerriss die Insel Santorini, löste Tsunamis aus und verteilte Asche und Vulkanmaterial über dem gesamten östlichen Mittelmeerraum. Wahrscheinlich trug der Ausbruch auch zum Ende der minoischen Hochkultur bei.
Unklar blieb jedoch bisher, wann sich die Eruption auf Santorini ereignete. So sprechen Radiokarbondatierungen von Pflanzenresten in der Vulkanasche für einen Ausbruch schon vor 1600 vor Christus. Archäologische Funde und ägyptische Aufzeichnungen legen hingegen eine Eruption erst in der Zeit ab 1540 vor Christus nahe. Um die Verwirrung komplett zu machen, deuten Baumring-Analysen und Eisbohrkerne auf gleich mehrere Klimaanomalien in der Zeit von 1680 bis 1520 vor Christus hin.
Spurensuche im ewigen Eis
Welche dieser Anomalien auf die Thera-Eruption zurückgeht, war daher ebenso unklar wie die Frage, wie groß der Klimaeffekt des Ausbruchs war. Denn bekannt ist, dass die von Vulkanausbrüchen freigesetzten Schwefelgase abkühlend auf das Klima wirken können. Wenn die Gase bis in die Stratosphäre gelangen, bildet sich dort ein Schleier aus Schwefelaerosolen, der das Sonnenlicht schluckt und weltweit zu einem Kälteeinbruch führen kann. In der Bronzezeit gab es den Daten zufolge um 1628/1627 vor Christus eine weltweite, besonders starke Abkühlung.
Aber wer hat sie verursacht? War es der Santorini-Ausbruch? Um das herauszufinden, haben nun Charlotte Pearson von der University of Arizona und ihre Kollegen umfassende Daten zu Klima, Atmosphäre und Vulkanausbrüchen von 1700 bis 1500 vor Christus ausgewertet. Außerdem analysierten sie Vulkanasche und Schwefelgehalte in den aus dieser Zeit stammenden Sichten von Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis. Auf Basis dieser Daten rekonstruierte das Team Stärke, Zeitpunkte und Klimaeffekte der Vulkanausbrüche in dieser Zeit.
Der Thera-Vulkan war es nicht
Das überraschende Ergebnis: Der Ausbruch von Thera war nicht nur zur falschen Zeit, um die bronzezeitliche Kälteperiode zu erklären – er war auch bei weitem nicht stark genug. Die Eruption im Mittelmeer kann den Daten zufolge nicht mehr als maximal 14 Millionen Tonnen Schwefel in die Stratosphäre geschleudert haben. Das ist weit weniger als der Tambora-Ausbruch von 1815 und nicht genug, um das Ausmaß der Abkühlung zu erklären.
„Diese Resultate widerlegen die jahrzehntelange Annahme, dass Thera für das Ereignis von 1628 vor Christus verantwortlich war“, konstatieren Pearson und ihr Team. Der Santorini-Ausbruch kann den globalen Kälteeinbruch ihren Ergebnissen zufolge nicht erklären.
Alëuten-Vulkan Aniakchak war der „Täter“
Wer aber war es dann? Aus den Daten geht ein anderer, tausende Kilometer vom Mittelmeer entfernter Vulkan als der „Klimakiller“ hervor: der Mount Aniakchak in Alaska. Dieser Stratovulkan gilt als einer der aktivsten Feuerberge der Alëuten. Ein knapp zehn Kilometer großer und 600 Meter tiefer Krater zeugt von einem extrem explosiven Ausbruch, den Geologen bisher etwa auf die Zeit der Thera-Eruption datierten – das machte es schwer, die Signatur der beiden Ereignisse auseinander zu halten.
Doch das ist Pearson und ihrem Team nun durch vergleichende Analysen von Schwefelisotopen in den Eisbohrkernen sowie durch Baumringdaten gelungen. Demnach muss der Aniakchak im Jahr 1628 vor Christus ausgebrochen sein – exakt zu dem Zeitpunkt, auf den dann der bronzezeitliche Kälteeinbruch folgte. Die Präsenz von Schwefel aus diesem Vulkan selbst im Eis der Antarktis belegt zudem, dass die Gase der Aniakchak-Eruption in die Stratosphäre gelangt sein müssen und sich weltweit verbreitet haben.
Klimawirksamste Eruption der letzten 4.000 Jahre
Nach Ansicht der Forschenden ist der Alëuten-Vulkan damit der wahrscheinlichste „Schuldige“ für die bronzezeitliche Abkühlung: „Wir konnten zeigen, dass dafür die kolossale Eruption von Aniakchak verantwortlich war“, sagt Koautor Michael Sigl von der Universität Bern. Und nicht nur das: Der Ausbruch dieses Vulkans ist die erste Eruption in den mittleren Breiten der Nordhalbkugel, die Schwefelgase global verteilt hat.
Wie groß das Ausmaß der Eruption und ihre Klimawirkung war, haben die Forschenden ebenfalls ermittelt. Demnach muss der Ausbruch des Aniakchak rund 52 Millionen Tonnen Schwefel ausgestoßen haben, von denen mindestens 32 Millionen Tonnen bis in die Stratosphäre gelangten. „Damit tritt Aniakchak II als das Ereignis mit der bedeutendsten Klimawirkung dieser Zeit zutage“, schreien Pearson und ihre Kollegen. Ihrer Einschätzung nach handelte es sich sogar um die stärkste klimawirksame Eruption der vergangenen 4.000 Jahre. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) Nexus, 2022; doi: 10.1093/pnasnexus/pgac048)
Quelle: Universität Bern