Es ist soweit: In Fukushima haben erste Tests zur Freisetzung des gereinigten, aber noch mit Tritium kontaminierten Kühlwassers aus dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi begonnen. Geplant ist, die rund 1,25 Millionen Tonnen tritiumhaltigen Wassers zu verdünnen und über einen Tunnel rund einen Kilometer weit ins Meer hinauszuleiten. Die Einleitung könnte in wenigen Wochen beginnen. Während Fischer und Umweltorganisationen protestieren, betont der Betreiber Tepco, dass das eingeleitete Tritium den natürlichen Tritiumgehalt des Pazifiks kaum verändern wird.
Im März 2011 führten ein Erdbeben und Tsunami zu einem schweren Atomunfall im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. Seither müssen die havarierten Reaktoren gekühlt werden, wegen zahlreicher Lecks produziert dies täglich rund 150 Tonnen radioaktiv verseuchtes Kühlwasser. Inzwischen lagern mehr als 1,2 Millionen Tonnen davon in gut tausend Tanks auf dem Kraftwerksgelände. Das Wasser enthält unterschiedlich hohe Dosen an 61 Radionukliden – darunter auch radioaktives Strontium, Cäsium, Iod und Kobalt.
Aus den Tanks ins Meer
Zur Reinigung dieses Wassers hat der Kraftwerksbetreiber Tepco schon vor einigen Jahren eine spezielle Aufbereitungsanlage, das sogenannte „Advanced Liquid Processing System“ (ALPS), installiert. Dieses entfernt laut Betreiber alle Radionuklide außer dem radioaktiven Tritium aus dem Wasser. Allerdings legten geleakte Dokumente im Jahr 2019 nahe, dass das ALPS-System weniger gut arbeitet als von Tepco angegeben. Neben Tritium sollen demnach auch andere radioaktive Nuklide weiterhin enthalten sein.
Dennoch genehmigte die japanische Regierung im Jahr 2021 den Plan, das gereinigte Kühlwasser ab 2023 verdünnt ins Meer einzuleiten – trotz Protesten von bei Fischern, Umweltorganisationen und Nachbarländern Japans. Für die Einleitung wurde ein System von Pumpen und Tunneln gebaut, das rund einen Kilometer vor der Küste im offenen Ozean endet.
Tests für die Einleitung haben begonnen
Jetzt steht die Einleitung unmittelbar bevor: Am 19. Juni haben erste Tests der Pumpsysteme in Fukushima begonnen, vorerst noch mit sauberem Wasser. Laut Tepco werden diese Tests zwei Wochen dauern, bevor dann Anfang Juli eine Reihe von offiziellen Überprüfungen durch die japanische Atomenergiebehörde folgen. Verlaufen diese Tests wie geplant, könnte anschließend die Einleitung des tritiumhaltigen Wassers in den Pazifik beginnen.
Doch was bedeutet dies für den Ozean und die Meeresumwelt? Wie hoch ist die radioaktive Belastung? Nach Angaben der internationalen Atomenergieagentur (IAEA) sind die in den Pazifik freigesetzten Mengen an radioaktivem Tritium unbedenklich, weil sie sich sehr schnell stark verdünnen – und weil Tritium schon von Natur aus in geringem Anteil in jedem Meerwasser enthalten ist. Laut IAEA-Tests von Anfang 2023 sollen die Konzentrationen an Radionukliden außer Tritium im gereinigten Wasser weit unter gesetzlichen Grenzwerten liegen.
Kritik und Misstrauen
Allerdings sind nicht alle Kritiker davon überzeugt. „Japans Plan, das aufbereitete, kontaminierte Kühlwasser in den Pazifik einzuleiten, ist verfrüht und schlecht beraten“, sagt der Meeresforscher Robert Richmond von der University of Hawaii. Die von Tepco vorgestellte radiologische Umweltfolgenabschätzung sei inadäquat und lückenhaft, ähnliches gelte für die Überwachungspläne. In diesen seien beispielsweise keine Vorkehrungen zum Schutz der Meeresumwelt im Falle einer Fehlfunktion getroffen worden.
Auch japanische und südkoreanische Fischer protestieren weiterhin gegen die geplante Einleitung des Fukushima-Kühlwassers. Sie sehen ihre Lebensgrundlage bedroht. Kritisch sieht den Plan auch der Strahlenforscher Tony Hooker von der University of Adelaide: „Auch wenn diese Einleitung die wissenschaftlichen und regulatorischen Vorschriften erfüllen mag, bleibt es fraglich, ob wir das Meer weiterhin als Deponie nutzen dürfen, wenn unsere Ozeane ohnehin schon belastet sind“, so der Forscher.
Was passiert mit dem Tritium im Ozean?
Was die eingeleitete Tritiummenge konkret für den Ozean bedeutet, erklärt der Physiker Nigel Marks von der Curtin University in Australien so: „Der Pazifische Ozean enthält rund 8.400 Gramm reines Tritium, während Japan in Fukushima rund 0,06 Gramm Tritium pro Jahr einleiten wird“. Seiner Ansicht nach wird Extramenge Tritium wird daher keinen Unterschied machen. Andere Forscher schätzen, dass es rund 30 Jahren dauern wird, bis gut 80 Prozent der vom eingeleiteten Tritium ausgehenden Radioaktivität verloren gegangen sind.
Wie sich das in Fukushima eingeleitete Tritium anschließend im Pazifik verbreiten wird, haben Wissenschaftler im Jahr 2021 mithilfe von Modellsimulationen untersucht. Demnach wird sich der größte Teil des Tritiums über den äquatorialen Pazifik nach Osten ausbreiten. Nach drei Jahren könnte es dann auch die Westküste der USA erreichen – möglicherweise sogar in höheren Konzentrationen als an den Küsten Japans und Chinas.
Quelle: Science Media Centre New Zealand, IAEA