Am gestrigen 11. Dezember war der von den Vereinten Nationen erstmals 2003 ausgerufene „Internationale Tag der Berge“. Er soll weltweit auf die Bedeutung und Sensibilität von Bergökosystemen aufmerksam machen. Gleichzeitig soll jedoch ein nachhaltiger Tourismus der Armutsbekämpfung in den oftmals benachteiligten Bergregionen dienen. Ob Umwelt und Wirtschaft in den Alpen vereinbar sind, untersucht zur Zeit ein transnationales Projekt.
Fünf wissenschaftliche Institute, zwei Planungsbüros und eine Behörde haben sich zum EU-Projekt DIAMONT zusammengeschlossen, um anhand der Identifizierung geeigneter Indikatoren die Gesamtentwicklung im Alpenraum zu beobachten und Aussagen über ihre Nachhaltigkeit zu treffen. Im Rahmen des von der Universität Innsbruck geleiteten Projektes wurden in einer Studie 60 Experten aus sechs Alpenstaaten und den Bereichen Regionalentwicklung und Wissenschaft nach den sich abzeichnenden Problem- und Handlungsfeldern der zukünftigen Entwicklung alpiner Regionen befragt. Erste Ergebnisse liegen nun vor.
Wirtschaftliche Prosperität um jeden Preis?
Im Alpenstaat Österreich kommt dem Wirtschaftsfaktor Tourismus besonders in seinen Bergregionen besondere Bedeutung zu. Eine unbedachte Nutzbarmachung alpiner Regionen als touristischem Wirtschaftsraum brächte jedoch schwerwiegende Folgen mit sich. Andererseits sehen gerade abgelegene Alpenregionen trotz möglicher Umweltbelastungen den Tourismus oftmals als wichtigste Chance, sich wirtschaftlich zu entwickeln und um die Abwanderung junger Menschen zu stoppen, so ein Ergebnis der Studie.
Als Folge rückläufiger Schifahrerzahlen und des globalen Klimawandels nehme die Konkurrenz unter den Wintersport-Zentren weiter zu. „Wer nicht auf der Strecke bleiben will, beschneit, modernisiert und erweitert in höher gelegene Regionen. Davon bleiben auch ausgewiesene Schutzgebiete nicht verschont: Seit 1998 fordern Seilbahnbetreiber beispielsweise die Erweiterung des Schigebietes Kühtai über den Pirchkogel und damit die Erschließung des ohnehin nur 85 Hektar großen UNESCO-Biosphärenparks Gossenköllesee“, so Prof. Roland Psenner vom Institut für Zoologie und Limnologie der LFU.
Herzstück des Biosphärenparks ist die Limnologische Forschungsstation, eine Drehscheibe der europäischen Hochgebirgsforschung mit Messdaten von drei Jahrzehnten. „Sollten die Pläne genehmigt werden, droht eine Aberkennung des internationalen Schutzgebietsprädikates, welches die UNESCO in Österreich ohnehin nur sechs Mal vergeben hat. Bis eine endgültige Entscheidung gefallen ist, liegen außerdem alle Forschungsprojekte auf Eis“, so Prof. Psenner weiter. Um solchen Entwicklungen in Zukunft Einhalt zu gebieten fordert Professor Felix Jülg, Experte für Regionalentwicklung in Wien und Teilnehmer der DIAMONT-Studie, ein alpenweites Leitbild der Nachhaltigkeit, das den Ausbau hochgelegener Wintersportzentren begrenzt.
Tourismus als Chance für die Umwelt?
Dabei könne die Konzentration auf wenige Massentourismusgebiete die Umwelt sogar entlasten: „In der Schweiz erobert die Natur aufgelassene, weil unrentabel gewordene, Schipisten zurück“, hält Professor Axel Borsdorf, Gesamtkoordinator von DIAMONT und Forscher am Institut für Geographie der LFU fest. Konkurrenz, so ergab die Studie weiter, führt häufig zu einer Verbreiterung des touristischen Angebots. Sanfte und qualitativ hochwertige Tourismusangebote würden demnach – auch auf Grund der zunehmenden Alterung der Gesellschaft – weiter zunehmen.
Generell appellierten die in die DIAMONT-Studie eingebundenen Experten an die Tourismusbranche, Landwirte zukünftig für ihren Beitrag zum Erhalt einer vielseitigen Kulturlandschaft stärker zu entschädigen oder sie zumindest durch das Verwenden regionaler Produkte finanziell zu unterstützen. Dies wäre auch im Sinne der Alpenkonvention, dem internationalen Vertragswerk, das die ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung des gesamten Alpenraumes zum Ziel hat. Derzeit hat Österreich den Vorsitz in der Alpenkonferenz, dem wichtigsten Gremium der Konvention.
(Universität Innsbruck, 12.12.2005 – NPO)