Kostbare Raritäten: Große Diamanten wie der Koh-i-Noor oder der Cullinan-Diamant sind nicht nur sehr selten – sie entstanden auch ganz anders als andere Diamanten. Sie bildeten sich hunderte Kilometer tiefer im Erdmantel und in mit flüssigen Metallen gefüllten Hohlräumen. Dies wiederum wirft ein ganz neues Licht auf die Zusammensetzung des tiefen Erdmantels, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Diamanten sind im Prinzip nichts Anderes als unter hohem Druck und Hitze komprimierter Kohlenstoff. Die meisten von ihnen entstanden in rund 150 bis 200 Kilometern Tiefe im Erdmantel und wurden dann von urzeitlichen Vulkanen in die Erdkruste befördert. Die Reste dieser Schlote sind als Kimberlit-Gestein erhalten und kommen heute vor allem in Südafrika, in Indien, Südamerika und sogar in der Antarktis vor.
Berühmte Sonderlinge
Während jedoch kleine Diamanten durchaus häufig gefunden werden, sind große und reine Diamanten von mehreren hundert Karat eine echte Rarität. Zu ihnen gehören der weltberühmte Koh-i-Noor oder der 1905 in Südafrika entdeckte Cullinan. Dieser wog als Rohdiamant mehr als 600 Gramm – das entspricht gut 3.000 Karat.
Doch ihre Größe ist nicht die einzige Besonderheit: „Solche Diamanten sind meist besonders arm an Einschlüssen, relativ rein, enthalten sehr wenig Stickstoff und sind oft unregelmäßig geformt“, berichten Evan Smith vom Gemological Institute of America und seine Kollegen. Wegen dieser Merkmale vermuten Geologen schon länger, dass diese Diamanten einen ganz eigenen Typ darstellen könnten und anders entstanden als die „normalen“ kleineren Edelsteine.
Eingeschlossene Metalle
Ob diese Annahme jedoch stimmt und wie und wo sich diese Diamanten bildeten, ließ sich bisher nicht klären. Jetzt haben Smith und seine Kollegen erstmals mehr Einblicke in die Geheimnisse der größten und berühmtesten Edelsteine der Erde gewonnen. Für ihre Studie untersuchten sie die beim Schleifen und Schneiden von 53 solcher großen Groß-Diamanten übrig gebliebenen Reste und deren Einschlüsse.
Das überraschende Ergebnis: Die bisher meist für Graphiteinlagerungen gehaltenen Einschlüsse der Diamanten bestehen in Wirklichkeit aus Metall. Viele enthielten das Mineral Cohenit (Fe, Ni)3C, eine Verbindung aus Eisen oder Nickel und Kohlenstoff, die nur in Meteoriten oder im Erdmantel unterhalb von 120 Kilometern vorkommt. Außerdem fanden sich Anteile einer eine Nickel-Eisen-Legierung, Eisensulfid und Spuren von flüssigem Methan und Wasserstoff.
Tiefer als normale Diamanten
Das besondere an diesen Metalleinschlüssen ist ihre elementare, nicht oxidierte Form, wie die Forscher berichten. „Wir interpretieren diese Einschlüsse als Überreste einer Schmelze aus Eisen, Nickel, Kohlenstoff und Schwefel mit geringen gelösten Anteilen von Wasserstoff, Phosphor, Chrom und Sauerstoff“, so Smith und seine Kollegen. „Dies spricht für eine reduzierende Umgebung.“
In den Tiefen, in denen die „normalen“ Diamanten entstehen, gibt es diese Bedingungen jedoch nicht, im Gestein ist zu viel Sauerstoff enthalten. Cullinan, Koh-i-Noor und die anderen ungewöhnlich großen Diamanten müssen daher tiefer im Erdmantel entstanden sein. „Unsere Ergebnissen sprechen dafür, dass sich diese Diamanten in der Übergangszone des Erdmantels in 410 bis 660 Kilometern Tiefe bildeten“, sagen die Wissenschaftler.
Gewachsen in flüssigem Metall
Anders und ungewöhnlich ist auch die Art, wie sich die Raritäten unter den Diamanten bildeten. Schon länger vermuten Geologen, dass der Erdmantel in Tiefen unterhalb von 250 Kilometern Einschlussblasen aus flüssigen Metallen enthält. In dieser Metallschmelze könnte elementarer Kohlenstoff gelöst sein – und damit das Baumaterial für die Diamanten. Nachweisen ließ sich die Existenz solcher Metall-„Taschen“ jedoch nicht – bis jetzt
Die Metalleinschlüsse der Diamanten liefern nun erstmals den Beleg dafür, dass es solche Blasen flüssigen Metalls im Erdmantel tatsächlich gibt – und dass die großen Edelsteine in solchen Blasen entstanden sind. „Eine solche flüssige Tasche bot den großen Diamanten den Raum, um trotz des hohen Drucks ungehindert zu wachsen“, erklären die Forscher. Die Edelsteine bildeten sich dabei aus dem Kohlenstoff, der aus der Metallschmelze auskristallisierte.
Doppelter Durchbruch
Die Ergebnisse belegen damit gleich zweierlei: Zum einen bestätigen sie die Vermutung, dass es tiefen Erdmantel Zonen mit stark reduzierenden Bedingungen und flüssigen Metalllegierungen gibt. Zum anderen aber zeigen sie, dass die raren Riesendiamanten tatsächlich auf andere Weise und an anderen Orten entstanden sind als ihre kleineren Gegenparts.
„Dieses neue Verständnis dieser großen, Typ IIa-Diamanten löst eines der großen Rätsel in der Geschichte der Diamantenbildung“, erklärt Smith. „Gleichzeitig hat die Existenz von metallischen Schmelzen im Erdmantel eine weitreichende Bedeutung für unser Verständnis der Prozesse im tiefen Erdinneren.“ (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aal1303)
(Gemological Institute of America / Carnegie Institution for Science, 16.12.2016 – NPO)