Blitze der Superlative: Superblitze sind selten, aber tausendfach stärker als normale Gewitterblitze. Jetzt enthüllt eine Studie, wie sie entstehen – und warum sie ausgerechnet über dem Mittelmeer, dem Nordostatlantik und dem Andenhochland so häufig vorkommen. Demnach ereignen sich diese Extrem-Entladungen immer dann, wenn die etwa null Grad kalte Aufladungszone der Gewitterwolke besonders nah an der Erdoberfläche liegt. Das erklärt auch, warum diese Superblitze vorwiegend im Winter auftreten.
Blitze sind die stärksten Entladungen der Atmosphäre. Sie können bis zu einer Milliarde Volt erreichen und heizen die Luft bis auf rund 30.000 Grad auf. Sogar Antimaterie und energiereiche Gammastrahlen werden bei starken Blitzen frei. Die meisten Gewitterblitze gibt es im schwülwarmen Klima der Tropen, ein See in Venezuela ist dabei der Spitzenreiter unter den globalen Blitz-Hotspots. In Deutschland blitzt es am häufigsten im Alpenvorland.
Was verursacht die Superblitze?
Doch es gibt seltene Blitze, die nicht ins normale Bild passen. Diese „Superblitze“ sind tausendfach energiereicher als die normalen Gewitterentladungen. „Auch wenn diese Superblitze nur einen winzigen Bruchteil aller Blitze ausmachen, sind sie ein eindrucksvolles Phänomen“, erklärt Erstautor Avichay Efraim von der Hebräischen Universität Jerusalem. Allerdings verhalten sich diese Mega-Entladungen ungewöhnlich: Statt sich über tropischen Landmassen und im Sommer zu häufen, kommen sie fast nur im Winter und vorwiegend über dem Meer vor.
Die Hotspots für solche Blitze der Superlative liegen über dem Mittelmeer und dem Nordostatlantik, aber auch im Hochland der Anden, wie Forscher mi Jahr 2019 ermittelten. Aber warum? „Wir wollten wissen, warum diese Superblitze an diesen Stellen mit höherer Wahrscheinlichkeit entstehen als an anderen“, sagt Efraim. Für ihre Studie werteten er und sein Team Daten des World Wide Lightning Location Network (WWLLN) aus und ermittelten für alle Superblitze Zeit, Ort und Energie, Mithilfe von Wetterdaten analysierten sie dann für jeden dieser Blitze die Wetterbedingungen und die Art der Gewitterwolke.
Auf die Aufladungszone kommt es an
Das Ergebnis: „Die Energie der Blitze steigt scharf an, wenn sich der Abstand zwischen der Aufladungszone der Gewitterwolke und der Erdoberfläche verringert“, berichten die Forscher. Diese Aufladungszone bildet das Energiereservoir der Blitze und liegt dort, wo die Lufttemperatur in der Wolke etwa null Grad beträgt. Diese Zone liegt in den Höhenlagen der Anden dichter an der Erdoberfläche als im Flachland. Und auch in den winterlichen Gewitterwolken über Atlantik und Mittelmeer liegt dieser Temperaturbereich eher tief über dem Wasser.
Zur Aufladung der Gewitterwolke kommt es, weil in dieser Zone sowohl flüssige Wolkentröpfchen als auch Eiskristalle vorkommen Wenn nun diese Eiskristalle mit Tröpfchen kollidieren, übertragen sie negative Ladungen an die Tröpfchen und werden dadurch positiv geladen. Die leichteren Kristalle werden mit den starken Aufwinden in der Gewitterwolke nach oben gerissen, während die schwereren Tropfen nach unten fallen – die Folge ist eine Ladungstrennung. „Dadurch baut sich ein elektrisches Feld auf, dass dann schließlich zur elektrostatischen Entladung führt“, erklärt das Team.
Kürzerer Weg, mehr Energie
Doch was hat der Abstand der Aufladungszone zum Boden mit der Blitzstärke zu tun? „Wenn der vertikale Abstand zwischen der Aufladungszone und der Erdoberfläche geringer ist, ist diese Zone weniger stark vom Boden isoliert“, erklären Efraim und seine Kollegen. „Der Weg durch die isolierende Luft ist dann kürzer und es gibt weniger Widerstand im Blitzkanal.“ Dadurch kann mehr elektrischer Strom fließen und die Energie der Entladung ist entsprechend höher.
Die Wissenschaftler vergleichen den physikalischen Mechanismus hinter den Superblitzen mit der Funktionsweise eines Kondensators. Auch bei diesem steigt die elektrische Feldstärke umgekehrt proportional zum Abstand der Kondensatorplatten, wie Efraim und sein Team erklären. Ihren Angaben zufolge zeigen alle drei Hotspots der Superblitze die entsprechend kürzeren Wege für den Blitz. „Die Korrelation ist deutlich und signifikant und es war spannend zu sehen, dass sie tatsächlich in allen drei Regionen zutrifft. Das ist ein wichtiger Durchbruch.“
Und der Klimawandel?
Das Wissen um den Mechanismus hinter den Superblitzen kann nun dazu beitragen, auch ihre mögliche zukünftige Entwicklung vorherzusagen. Theoretisch könnte die Erwärmung der Atmosphäre solchen Mega-Entladungen entgegenwirken, weil die Null-Grad-Zone weiter nach oben rückt. Andererseits fördert der steigende Wasserdampfgehalt der Luft Gewitter insgesamt und könnte daher auch Ausnahme-Blitze häufiger machen.
„Wir haben zwar jetzt ein großes Stück des Puzzles gefunden, aber noch ist vieles ungeklärt“, sagt Efraim. „Es bleibt einiges zu tun.“ (Journal of Geophysical Research Atmospheres, 2023; doi: 10.1029/2022JD038254)
Quelle: American Geophysical Union