Archäologie

Geheimnis einer toten Trojanerin gelüftet

Vor 800 Jahren begrabene Frau starb an einer Wochenbett-Infektion

Skelett einer rund 30-jährigen Frau, die vor 800 Jahren vor den Toren Trojas bestattet wurde.Woran sie starb, haben Forscher nun enträtselt. © Gebhard Bieg

Autopsie nach 800 Jahren: Archäologen haben herausgefunden, woran eine vor den Toren Trojas begrabene Frau starb – und warum ihr Skelett zwei seltsam kugelige Kalkablagerungen aufwies. DNA-Analysen enthüllten, dass die Frau an einer Wochenbett-Infektion starb. Das Bakterium, das die tödliche Infektion verursachte, könnte sich die junge Frau durch engen Kontakt mit Kühen eingefangen haben.

Moderne Methoden machen es heute möglich, selbst den vor Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden verstorbenen Toten noch Geheimnisse zu entlocken. So verraten beispielsweise die im Eis konservierten Überreste des berühmten Ötzi einiges darüber, wie er lebte und starb. Aber auch die Todesumstände des englischen Königs Richard III., von ägyptischen Mumien oder sogar der Vormenschenfrau Lucy sind dank DNA-Analysen und Bildgebung heute rekonstruierbar.

Junge Bäuerin vor den Toren von Troja

Ein weiterer Fall unklarer Todesumstände haben nun Alison Devault von der kanadischen McMaster University und ihre Kollegen gelöst. Es handelt sich dabei um die Überreste einer rund 30-jährigen Frau, die vor rund 800 Jahren vor den Toren der Stadt Troja bestattet wurde. Der starke Verschleiß ihrer Knochen spricht dafür, dass sie keine privilegierte Stadtbewohnerin war, sondern als Bäuerin im Umland der Stadt lebte.

Als die Archäologen das Skelett dieser byzantinischen Toten näher untersuchten, stießen sie auf etwas Ungewöhnliches: Unterhalb der Rippen lagen zwei unregelmäßig geformte Kalkknollen, etwa von der Größe einer Erdbeere. „Zuerst dachten wir, dass es sich um Knochenverwachsungen handelt, wie sie bei einer Tuberkulose entstehen können“, berichtet Caitlin Pepperell von der University of Wisconsin-Madison.

Bakterien-DNA entdeckt

Eine Untersuchung der seltsamen Verkalkungen sprach jedoch gegen diese Hypothese: Die Kalkknollen glichen weder Tuberkeln, noch Nierensteinen. Was aber waren sie dann? Und was hatten sie mit dem Tod der noch jungen Frau zu tun? Um dies herauszufinden, schickten die Forscher Proben der Kugeln zur DNA-Analyse ein.

Querschnitt einer der Kalkknollen, die im Skelett der Toten gefunden wurde. Im Inneren blieb DNA von zwei Erregern erhalten. © Pathologie Nordhessen

Und tatsächlich: Im geschützten Inneren der Kalkgebilde war DNA erhalten geblieben. Diese stammte aber nicht nur von der toten Frau, sondern auch von zwei Bakterienarten. „Die Proben lieferten genug DNA, um die Genome von Staphylococcus saprophyticus und Gardnerella vaginalis zu identifizieren“, berichtet DNA-Spezialist Hendrik Poinar von der McMaster University.

Tod durch Wochenbett-Infektion

Beide Bakterien sind typisch für eine in der Antike und im Mittelalter bei schwangeren Frauen sehr häufige Infektion, wie die Forscher berichten. Bei dieser sogenannten Chorioamnionitis gelangen Erreger über die Vagina in die Gebärmutter und befallen dort die Plazenta und weitere Gewebe. Häufig verursachte dies eine Blutvergiftung, an der die Frauen noch in der Schwangerschaft oder nach der Geburt starben.

Auch die Frau aus der Umgebung von Troja war schwanger oder hatte kurz vor ihrem Tod erst entbunden, wie DNA-Spuren eines männlichen Fötus in den Kalkknollen belegen. Die heftige Entzündung ihrer Plazenta führte dazu, dass sich klumpenförmige Kalkablagerungen bildeten, in denen DNA-Reste der Erreger bis heute erhalten blieben. „Die Plazenta neigt zu solchen Verkalkungen, weil durch sie viel Calcium zum Fötus transportiert wird“, erklärt Pepperell.

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Alles zusammen spricht nach Ansicht der Forscher dafür, dass die junge Frau an dieser Wochenbett-Infektion starb. Einen so alten Beleg für diese Infektion zu finden, sei einzigartig, sagt Poinar: „Es gibt bisher keinen einzigen bekannten Fall. Wir hatten generell fast keine archäologischen Belege darüber, wie es damals um die Gesundheit und die Todesursachen von Frauen im Kindbett beschaffen war – bis jetzt.“

Von einer Kuh angesteckt?

Die Analysen enthüllten aber noch ein interessantes Detail zu den Todesumständen der jungen Frau: Der bei ihr nachgewiesene Stamm von Staphylococcus saprophyticus ähnelt eher den von Nutztieren bekannten Varianten als den Erregern, die heute den Menschen befallen. „Das Isolat aus Troja hat eine interessante Zwischenposition zwischen den bei Kühen und bei Menschen häufigen Staphylokokken“, sagt Pepperell.

Die Forscher vermuten daher, dass die junge Bäuerin wie damals üblich mit ihrem Vieh unter einem Dach lebte. Durch den engen Kontakt könnte dann der Erreger auf sie übergesprungen sein. „Wir vermuten, dass viele Infektionen im Altertum durch einen Pool von Bakterien verursacht wurden, die zwischen Menschen, Nutztieren und der Umwelt hin und her sprangen“, erklärt Pepperell. (eLife, 2017; doi: 10.7554/eLife.20983.001)

(University of Wisconsin-Madison, 12.01.2017 – NPO)

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