In dieser Woche kommt Roland Emmerichs Katastrophenfilm „The day after tomorrow“ in die Kinos. Er konfrontiert die Zuschauer spektakulär mit der Hollywood-Version vom Klimawandel: In dem neuen Action-Movie legt der Regisseur gleich den halben Planeten auf Eis.
Emmerich erzählt die Geschichte eines Klimaforschers, der – wie der Rest der Welt – vom Einsetzen eines abrupten Klimawandels überrascht wird. Es kommt zu riesigen Stürmen, Los Angeles wird von Tornados verwüstet, New York versinkt unter einer gigantischen Flutwelle, und eine Eiszeit bricht über die gesamte Nordhalbkugel der Erde herein…
Doch wieviel Wahres steckt in diesem Szenario? Mit dieser Frage beschäftigen sich dieser Tage nicht nur Kinogänger, sondern auch Wissenschaftler. Klimaforscher in Deutschland und Europa erforschen bereits seit Jahren mögliche Szenarien der zukünftigen Klimaentwicklung.
Kurzfristige Klimaschwankungen vorhersagbar
Im Rahmen des Deutschen Klimaforschungsprogramms DEKLIM unter dem Dach von GEOTECHNOLOGIEN untersuchen beispielsweise Forscher um Mojib Latif vom Institut für Meereskunde in Kiel inwieweit kurzfristige Klimaschwankungen vorhersagbar sind. Wobei kurzfristig im Sinne der Klimaforscher immer mindestens Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte bedeutet, ein „Kippen“ des Klimas innerhalb von Stunden, wie im Film gezeigt, ist klimatologisch gesehen nicht möglich.
Tatsächlich ist der Nordatlantik, genau die Region, die im Film eine Schlüsselrolle spielt, mit heutigen Klimamodellen recht gut erfassbar. Wie die Wissenschaftler um Latif herausfanden, lässt sich die kurzfristige Entwicklung der Meerestemperaturen in diesem Gebiet sogar mit besonders hoher Genauigkeit vorhersagen. Ein derart plötzlicher Umschwung würde die Klimaforscher daher mindestens ebenso überraschen, wie den Filmhelden Jack Hall…
Kann die „Fernheizung“ Europas ausfallen?
Im Film verursacht der Zusammenbruch des Golfstroms den plötzlichen Einbruch einer Eiszeit in den USA und in Europa. Innerhalb von nur Stunden sinken die Temperaturen, ein Supersturm rast über die USA und Eis- und Schneemassen überdecken binnen Stunden einen Großteil der Nordhalbkugel. Ist ein solches Szenario tatsächlich möglich?
Nach Ansicht der Klimaforscher nur sehr bedingt. Der Golfstrom und mit ihm sein verlängerter Arm, der Nordatlantikstrom, bringen wie eine Fernheizung warme Wassermassen aus der Karibik nach Europa und sorgen hier für relativ milde Temperaturen. Angetrieben wird dieser Teil der globalen Meeresströmungen durch eine gewaltige „Umwälzpumpe“ zwischen Grönland und Norwegen. Hier sackt das warme Oberflächenwasser mehr als 2.000 Meter fast senkrecht in die Tiefe, wie Wasser in den Ausfluss einer gigantischen Badewanne. Dieses Absinken erzeugt einen Sog, der weiteres Oberflächenwasser aus dem Süden in diese Regionen nachzieht.
Süßwasser als Pumpenbremse
Der Antrieb für diese „Pumpe“ sind Unterschiede in Temperatur und Salzgehalt zwischen dem Wasser aus dem Süden und dem Tiefenwasser des Nordatlantiks. Tatsächlich könnte, wie auch im Film postuliert, der globale Klimawandel diese sensible Pumpe abschwächen oder sogar zum Erliegen bringen. Dann nämlich, wenn zum einen die Temperaturunterschiede zwischen dem kalten Norden und dem warmen Süden des Meeres sich durch die globale Erwärmung zunehmend aufheben. Und wenn durch zunehmende Niederschläge, aber auch durch das Schmelzen des Grönlandeises, so viel zusätzliches Süßwasser in den Nordatlantik eingetragen wird, dass das Oberflächenwasser nicht mehr absinkt.
Tatsächlich deuten erste Studien daraufhin, dass sich der Nordatlantikstrom zwischenzeitlich leicht abgeschwächt hat. Ob dies allerdings nur eine vorübergehende Phase darstellt oder ob sich hier wirklich schon eine dauerhafte Veränderung anbahnt, ist noch unklar. Mehrere Forschungsprojekte sind daher zur Zeit dabei, die Mechanismen dieser Umwälzpumpe und insbesondere die Wasserverhältnisse im Nordatlantik intensiv zu beobachten.
So untersuchen beispielsweise Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven im Rahmen von DEKLIM die Süßwasserbilanz des Nordpolarmeeres. Sie haben inzwischen festgestellt, dass sich Dicke und Lage der Sprungschicht, des plötzlichen Übergangs von „süßerem“ Oberflächenwasser zu salzreicherem Tiefenwasser im Laufe von Jahrzehnten verändert. Offenbar spielen Süßwassereinträge in das Nordpolarmeer dabei eine relativ wichtige Rolle.
Keine Panik, aber Handlungsbedarf…
Einigkeit herrscht aber zwischen Film und Klimaforschern über eines: Der Klimawandel passiert schon heute, und seine Gefahren sind real. Die Erde erwärmt sich schneller als je zuvor in den letzten 1000 Jahren, extreme Wetterereignisse wie Stürme, Dürren und Überschwemmungen werden in Zukunft stark zunehmen. Überschreitet die Erwärmung kritische Schwellen, sind plötzliche, kaum vorhersagbare und möglicherweise katastrophale Veränderungen möglich. Mit einem Szenario wie im Film ist zwar heute – und auch morgen – sicher nicht zu rechnen. Aber eine Entwarnung kann die Klimaforschung nicht geben. Im Gegenteil.
(DEKLIM, BMU, PIK Potsdam, WWF, 27.05.2004 – NPO)