GEOTECHNOLOGIEN

GEOTECHNOLOGIEN im Focus

Kontinentränder: Unterseeischer Erdrutsch mit Folgen...

Wasserschöpfer © FS Sonne/BGR

September 2003 vor der Westküste Nicaraguas: Sonne, Meer und blauer Himmel – ein Idylle. Doch die Gruppe deutscher Wissenschaftler an Bord des Forschungsschiffs Sonne hat dafür keinen Blick, sie schauen in die Tiefe.

Denn die aus verschiedenen Forschungsinstituten, darunter dem GEOMAR und der Universität Kiel, zusammengewürfelte Truppe um Professor Erwin Süss hat ein ehrgeiziges Ziel: Eines der noch immer bestehenden Geheimnisse des mittelamerikanischen Kontinentrands zu lüften, die Herkunft der hier scheinbar mitten im Meer aufquellenden Süßwasserströme.

Vor der Küste Mittelamerikas schiebt sich die ozeanische Cocos Platte von Westen kommend unter den Sockel des Kontinents. Bei dieser Subduktion wird Gesteinsmaterial in der Tiefe aufgeschmolzen und umgewandelt. An der Oberfläche macht sich diese gewaltige Umwälzung unter anderem durch immer wieder auftretende Erdbeben und Vulkanausbrüche bemerkbar. Aber auch unterseeische Schlammvulkane, Vents und die Bildung von methanreichen Ablagerungen zeugen von reichlich Aktivität im Untergrund.

Doch jüngste Forschungen haben gezeigt, dass sich die Auswirkungen längst nicht nur auf lokale Gegebenheiten beschränken: Im Gegenteil: Die dabei freigesetzten Stoffe haben wahrscheinlich entscheidenden Einfluss auf das gesamte globale Klima- und Stoffkreislaufsystem. In welcher Form und in welchem Ausmaß das geschieht, wollen die Wissenschaftler an Bord der Sonne im Rahmen des Projekts „Subduction – Volatiles-Fluids-Hazards“ herausfinden.

Aktive Kegel am Meeresgrund

Mithilfe von Spezialbohrern, kamerabestückten Greifern und unterschiedlichsten Probensammelgeräten rücken sie dabei dem Untergrund auf die Pelle. Im Mittelpunkt ihres Interesses dabei die „Mounds“, kegelförmige Gebilde am Meeresgrund, an denen besondere Aktivität registriert wird und mehrere unterseeische Rutschungen, deren Ursache bislang noch immer nicht eindeutig geklärt werden konnte.

Nahaufnahme eines menschlichen Ohres © Ildar Sagdejev (Specious)

Und die dreiwöchige Expedition hat Erfolg: Die Forscher entdecken seltsame „Sprudelsteine“, an denen mineralreiches Wasser aus den Porenräumen des Untergrunds aufsteigt und weisen ähnliche Aktivität auch an den „Mounds“ nach. Interessanterweise ist das aufsteigende Wasser keineswegs salzig, sondern sogar eher süß: Es enthält rund ein Drittel weniger Salz als das umgebende Meerwasser. Gleichzeitig verschwindet an einigen der Mounds jedoch auch kontinuierlich Meerwasser im Untergrund und hält so die unterirdischen Wasser- und Stoffkreislauf in Gang.

Sensation unterm Erdrutsch

Eine ganze Menge Überraschendes erwartete die Forscher an ihrer zweiten Station, der Quepos-Rutschung. In rund 600 Metern Tiefe hat hier das Sediment gleich an mehreren Stellen nachgegeben und ist den Kontinentalabhang hinunter geglitten. Auf der Suche nach den Ursache dieser geologischen Unterwasserkatastrophe entdeckten die Wissenschaftler hohe Konzentrationen von Methan in den darüberliegenden Wasserschichten – ein Hinweis darauf, das wahrscheinlich eine plötzliche Ausgasung von Gashydraten die Rutschungen ausgelöst haben könnte.

Dreidimensionale rasterkraftmikroskopische Abbildung eines Blutgerinnsels aus Ötzis Rückenwunde © Marek Janko

Doch die eigentlich Sensation zeigte sich, als die Wissenschaftler ein Areal mit besonders viel Bakterienmatten mithilfe der mit Kameras bestückten „Multicorer“ und Bodenwasserschöpfer untersuchten: Unter dem meterdicken Sedimenthaufen am Fuß der Erdrutsche tritt reines Süßwasser aus. Eine Analyse der Spurenelemente zeigt schnell, dass hier tatsächlich Grundwasser und nicht etwa „normales“ Tiefenwasser austritt. Offensichtlich gibt es eine unterirdische Wasserverbindung zur immerhin 80 Kilometer entfernten Küste.

Die Entdeckung erklärt auch, warum ausgerechnet an dieser Stelle Bakterien und andere Meeresbewohner besonders häufig vorkommen – ihnen bietet dieser Süßwassereinstrom besonders günstige Lebensbedingungen. Und auch der Ursache der Erdrutsche kommen die Forscher damit näher: Offenbar hat der Grundwasseraustritt das hier im Untergrund vorkommende Gashydrat destablisiert und so den Gasausbruch ausgelöst.

Inzwischen sind die Wissenschaftler der Sonne-Expedition längst wieder zu Hause, doch die während der Expedition gesammelten Proben und Daten sind noch lange nicht vollständig ausgewertet. Die bisherigen Ergebnisse zeigen jedoch bereits, wie viel es an diesen Nahtstellen der Erde noch zu entdecken gibt und wie groß der Forschungsbedarf in diesem Bereich noch ist. Forschungsprogramme wie die GEOTECHNOLOGIEN sollen dazu beitragen, die noch immer zahlreichen Geheimnisse der Kontinentränder zu lüften…

Mehr zum Projekt „Subduction“ finden Sie hier.

Mehr Informationen über die Erforschung der Kontinentränder und das Forschungsprogramm GEOTECHNOLOGIEN finden Sie hier in g-o.de.

(SFB574, GEOMAR, 16.02.2004 – NPO)

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