In Taylorsville im amerikanischen Bundesstaat Virginia stießen sie dafür 1993 bis in 2,7 Kilometer Tiefe vor. Doch als sie anschließend die Gesteinsproben im Labor auf Verunreinigungen durch den Bohrprozess untersuchten, fanden sie stattdessen unerwartete Zusätze der anderen Art: Bakterien, die zwar noch lebten, aber nicht gerade munter wirkten. Ein Rekord! Noch niemals zuvor hatte man in dieser Tiefe eine Spur von Leben gefunden. Neugierig geworden, nahmen die Forscher diese Untergrundbewohner genauer unter die Lupe.
Leben in Zeitlupe
Das Ergebnis: „Was sie dort unten tun, ist nicht sehr viel. Sie versuchen einfach nur durchzuhalten“, erklärt Tommy Phelps vom Oak Ridge National Laboratory der USA. Doch genau das widerspricht eigentlich allem, was die Mikrobiologen bisher unter Überleben verstanden. „Wir dachten immer, alles muss wachsen um überleben zu können. Aber wenngleich dies für das Leben auf der Oberfläche zu stimmen scheint, ist es für Bakterien in extremen Umgebungen offenbar kein geeignetes Motto.“
Tatsächlich vermuten Mikrobiologen, dass einige der winzigen Zellen, die sie aus den Bohrkernen herausholten, schon lange Zeit in einer Art Überdauerungszustand ausgeharrt haben, ohne sich auch nur einmal zu teilen. Der Mangel an energiereichen, organischen Molekülen und damit auch an Nahrung zwingt sie zu diesem absoluten Sparregime.
Diese Härten überstehen allerdings auch längst nicht alle Bewohner der Tiefe, wie Forscher des internationalen Ocean Drilling Program (ODP) herausfanden, als sie im Jahr 2000 Bohrkerne aus Sedimenten mehr als 500 Meter unter dem Meeresboden untersuchten. Bei der mikroskopischen Analyse fanden sie unter hundert Bakterienzellen maximal eine, die überhaupt aktive Stoffwechselaktivität zeigte, manchmal sogar nur eine unter 100.000.
„Die meisten der unterirdischen Mikroben im marinen Sediment müssen entweder an extrem niedrige Stoffwechselniveau angepasst sein – oder tot“, heißt es in ihrem Fazit. Immerhin waren die Ergebnisse der letzten Bohrungen so überraschend und vielversprechend, dass im 2003 gestarteten Nachfolgeprojekt, dem Integrated Ocean Drilling Programm (IOPD) die Erforschung der tiefen Biosphäre einen der Hauptschwerpunkte darstellt.
Eingesperrt im Untergrund
Datierungen deuten daraufhin, dass einige der Mikrobenkolonien schon seit mehr als 80, vielleicht sogar seit 160 Millionen Jahren in der Tiefe festsitzen – und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wie Tullis Onstott, Geologe der Princeton Universität, bei Vermessungen der Porengröße in Bohrkernen feststellte, sind die Bakterien in ihren winzigen Spalten und Hohlräumen zwischen den Gesteinspartikeln buchstäblich eingemauert: Denn die Poren um die Kolonien herum sind nur ein Zehntel so breit wie die Bakterienzellen – ein Durchkommen ist unmöglich.
Die Tiefe als Wiege des Lebens?
Aber wenn sie nicht herauskönnen, wie kamen sie dann überhaupt dorthin? Alle bisherigen Untersuchungen weisen daraufhin, dass die unterirdischen Gesteinsbewohner schon zu Zeiten der Dinosaurier, vielleicht sogar noch früher im Untergrund präsent waren. Sind oberirdische Kolonien besonders anpassungsfähiger Mikroben vielleicht durch Zufall verschüttet oder über das Grundwasser in die Tiefe gespült worden und saßen dann dort fest? Oder haben sie sich vielleicht sogar erst dort unten in der Tiefe entwickelt?
Noch wissen die Forscher viel zu wenig über diesen ungewöhnlichen Lebensraum und seine Bewohner, um endgültige Schlüsse ziehen zu können. Doch schon jetzt mehren sich die Stimmen, die postulieren, dass vielleicht sogar das gesamte Leben der Erde hier, in den geschützten Tiefen der Erdkruste, seinen Ursprung haben könnte. Immerhin war es zu dieser Zeit, vor rund zwei Milliarden Jahren, an der von Meteoriteneinschlägen, Vulkanausbrüchen und tödlichen ultravioletten Strahlen heimgesuchten Erdoberfläche nicht gerade gemütlich.
Die kommenden Forschungsprojekte sollen unter anderem in dieser Frage Klarheit bringen. Bestätigen sich allerdings diese ersten vorsichtigen Ideen zur Lebensentstehung in der Tiefe, bekäme die allseits bekannte und etablierte „Ursuppentheorie“ damit eine starke Konkurrenz…
(ODP; DOE; Oak Ridge National Laboratory, 15.12.2003 – NPO)