Eine Auflösung von einem Kilometer – dies ist das Ziel eines Projektes zur Fluggravimetrie, an dem unter anderem am Institut für Flugzeugführung der TU Braunschweig zur Zeit geforscht wird. Wir haben Tim Stelkens, Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik am IFF und Mitarbeiter am Fluggravimetrie-Projekt zum Stand der Dinge und den Problemen befragt.
g-o.de:
Eine Auflösung von einem Kilometer – dies ist das Ziel eines Projektes zur Fluggravimetrie, an dem unter anderem am Institut für Flugzeugführung der TU Braunschweig zur Zeit geforscht wird. Wir haben Tim Stelkens, Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik am IFF und Mitarbeiter am Fluggravimetrie-Projekt zum Stand der Dinge und den Problemen befragt.
g-o.de: Ein wichtiger Teil der Erdschweremessungen wird zur Zeit über spezielle Satelliten wie CHAMP oder GRACE durchgeführt, warum brauchen wir da noch Messflugzeuge? Welche Vorteile bieten sie?
Stelkens: Die satellitengestützten Messungen sind natürlich ein wesentlicher Fortschritt bei der Bestimmung des globalen Erdschwerefeldes. Sie ermöglichen die lückenlose Bestimmung des Gravitationsfeldes, wodurch die bisherigen Schwierigkeiten der Verknüpfung von lokalen Erdschwerefeldbestimmungen zu einem globalen Modell entfallen. Der entscheidende Nachteil der satellitengestützten Messungen ist jedoch, dass die Stärke des Gravitationsfeldes mit zunehmender Höhe quadratisch abnimmt.
Daraus resultiert eine „Glättung“ des Feldes. Mit satellitengestützten Methoden würde selbst bei gleicher Genauigkeit nie die gleiche räumliche Auflösung von Gravitationsanomalien erreicht werden können wie sie mit Messflugzeugen erreicht werden. Um also regionale Anomalien des Erdschwerefeldes zu erhalten oder einzelne Punkte des Feldes genauer zu untersuchen, muss auf die Fluggravimetrie zurückgegriffen werden.
g-o.de: Welche Genauigkeit erreichen Messungen vom Flugzeug aus heute? Welche könnten sie zukünftig erreichen?
Stelkens: Bisher ist bei der Erdschwerefeldbestimmung aus dem Flugzeug die räumliche Auflösung für das interessante Genauigkeitsniveau (1mGal) auf etwa 3-8 km beschränkt – d.h. kleinere Dichtestrukturen in der Erdkruste werden nicht entdeckt. Das BMBF-Förderprojekt „Entwicklung der Fluggravimetrie unter Nutzung von GNSS-Satellitenbeobachtungen“ hat zum Ziel, die Auflösung der Messungen auf 1 km zu verbessern, unter Beibehaltung der Genauigkeit von 1 mGal. Dadurch können zum Beispiel auch kleinere Wasser- oder Ölvorkommen prospektiert werden.
g-o.de: Welches sind die begrenzenden Faktoren?
Stelkens: Grundsätzlich gibt es immer Möglichkeiten, Schwierigkeiten oder Begrenzungen zu überwinden. Nach den bisherigen Erfahrungen an unserem Institut stellt zur Zeit die Positionsbestimmung und hier insbesondere die Höhenkomponente den Flaschenhals dar. Nach Untersuchungen, die am Institut für Flugführung durchgeführt wurden, muss die Genauigkeit der Höhenbestimmung enorm gesteigert werden um die Anforderungen zu erfüllen.
Aus diesem Grund wurde das Konzept des Statoskops wieder aufgegriffen, welches als differentielle barometrische Höhenbestimmung zu verstehen ist. Mit diesem Messprinzip scheinen Auflösungen bei der Bestimmung der Höhe erreichbar, die besser sind als bei Verwendung von GPS alleine.
g-o.de: In ihrem Projekt versuchen Sie, die durch Turbulenzen und andere Störgrößen verursachten Fehler durch Fehlermodelle auszugleichen. Was für Modelle sind das?
Stelkens: Durch eine Modellierung der Einzelsensoren werden die Fehler in größtmöglichem Umfang eingegrenzt. Die Einzelsensoren des am Institut für Flugführung eingesetzten Plattform-Gravimetersystems sind: drei Beschleunigungsmesser, ein Gravimetersensor, ein GPS-Receiver, ein Ringlaserkreisel und ein barometrischer Höhenmesser. Die Modellierung dieser Sensoren ist individuell abhängig vom physikalischem Aufbau des Sensors.
g-o.de: Was muss dazu im Vorhinein über die Mechanismen und Wechselwirkungen während des Fluges bekannt sein? Was wissen Sie noch nicht?
Stelkens: Grundsätzlich muss darüber nichts bekannt sein. Die Wechselwirkungen können in einer nachträglichen (offline) Auswertung berücksichtigt werden. Es ist jedoch wünschenswert die Umgebungszustände (Turbulenz, Ionosphäre, etc.) noch genauer zu kennen. Zur Zeit kann man die besten Ergebnisse erzielen, wenn die Luftturbulenzen möglichst gering sind. Sind stärkere Turbulenzen unvermeidlich, so könnte eine Korrektur der von GPS gelieferten Position über ein Wind- und Turbulenzmesssystem sowie ein Inertialmesssystem gestützt werden.
g-o.de: Wie hat man sich die konkrete Funktionsweise vorzustellen: Berechnen die Modelle die jeweils möglichen Fehler im Vorhinein oder reagieren sie eher auf die jeweiligen Gegebenheiten und springen dann als „Kontrolleur“ und Filter ein?
Stelkens: Die Philosophie des Instituts für Flugführung ist seit langem, nur Echtzeitmessungen durchzuführen. Eine exakte Voraussage von Fehlern ist in Echtzeit natürlich nicht möglich. Mit Hilfe der Modelle können aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten die Fehler abgeschätzt werden. Somit wirken sie eher als „Kontrolleur“. Wie weit sind die Modelle bislang gediehen, gibt es schon erste praktische Tests? In den Jahren 1998, 1999 wurden im Rahmen des SFB 420 einige Flugversuche durchgeführt. Die Ergebnisse liegen im Bereich 3 mGal für Wellenlängen von 2 km (1 mGal für 5-6 km).
(IFF/TU Braunschweig, 11.09.2003 – NPO)