Gerade für sehr kleinräumige, regionale Variationen des Erdschwerefeldes bietet sich neben der Satellitenmessung noch eine andere Methode an: Die Messung des Erdschwerefeldes von Flugzeugen aus. Bei der Fluggravimetrie wird das Erdschwerefeld üblicherweise mit einem hochauflösenden, auf einer kreiselstabilisierten Plattform im Flugzeug montierten Beschleunigungsmesser ermittelt. Dieser erreicht dabei mit lokal drei bis acht Kilometern deutlich höhere räumliche Auflösung als die Satellitenmessungen.
Doch für viele Anwendungen, wie beispielsweise die Suche nach Rohstofflagerstätten, ist dies noch immer zu wenig. Hier wird eine Auflösung von rund einem Kilometer benötigt. Zudem sind die gängigen Verfahren noch immer relativ teuer, da die Sensoren nur in größeren, zweimotorigen Flugzeugen montiert werden können.
„StrapDown“ statt Kreisel
Jetzt könnte ein neues Messverfahren hier Abhilfe schaffen. In einem Verbundprojekt, das im Rahmen des Sonderprogramms GEOTECHNOLOGIEN gefördert wird, arbeiten Forscher der Technischen Universität Braunschweig und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an der Entwicklung des so genannten „Strap Down“-Verfahrens.
Bei diesem Verfahren ist der Sensor nicht auf einer Kreiselplattform montiert, sondern fest mit dem Flugzeug verbunden. Da auf diese Weise auch kleinere Maschinen relativ leicht zu Messflugzeugen umgerüstet werden können, bedeutet dies nicht nur eine Kostenersparnis, sondern vor allem auch einen Gewinn an Präzision: Weil die Messungen damit auch aus niedrigeren Flughöhen erfolgen können – die Sensoren sozusagen „näher herangehen“ – lässt sich eine bessere räumliche Auflösung erreichen.
Turbulenzen als Störfaktoren
Leider registriert das Fluggravimeter jedoch nicht nur das, was es messen soll, nämlich die Erdbeschleunigung, sondern reagiert auch äußerst empfindlich auf kleinste Änderungen in der Flugbahn des Messflugzeuges. Vor allem Luftturbulenzen lassen Flugzeug und Sensoren schwanken und können die Daten verfälschen.
Im Prinzip kann diese Störgröße zwar mit einem zusätzlichen Sensor gemessen und von der ermittelten Gesamtbeschleunigung abgezogen werden, dieses Verfahren ist jedoch sehr fehleranfällig und lässt bisher keine großen Genauigkeiten zu. Da die Wellenlänge der Luftturbulenzen etwa im gleichen Bereich wie die zu messenden Variationen der Erdbeschleunigung liegen, sind auch die sonst üblichen Bandpassfilter wirkungslos. Unter anderem deshalb erreichen auch die Fluggravimeter heute noch nicht die Genauigkeiten, wie sie für viele Anwendungen gebraucht werden.
Virtuelle „Fehlerfilter“
Einem ganz eigenem Lösungsansatz folgen daher die Mitarbeiter des Projektes Fluggravimetrie am Institut für Flugzeugführung der TU Braunschweig: Der Modellierung von Messfehlern zu ihrer anschließenden Kompensierung. Statt tatsächlicher Messungen, beispielsweise der Luftturbulenz, werden ihre Einflüsse genau modelliert und dieses Modell als „Fehlerfilter“ eingesetzt.
Das zugrundeliegende Prinzip erscheint logisch: Kennt man alle Fehlermöglichkeiten und die physikalischen-mathematischen Mechanismen, die dahinter stehen, können diese aus den Werten herausgefiltert werden und das Resultat ist ein fehlerfreies Messen. Soweit die Theorie.
In der Praxis ist das Ganze allerdings nicht ganz so einfach, denn je höher die Anforderungen an die Messgenauigkeit sind, desto aufwendiger werden auch die Fehlermodelle. In der Fluggravimetrie und der damit verbundenen Beschleunigungsmessung haben sich die Forscher die extrem hohe Genauigkeit von 10 -5 m/s² zum Ziel gesetzt. In diesem Messbereich werden die Fehlermodelle jedoch sehr komplex, nichtlinear und zeitvariabel. Funktionieren kann eine Fehlerkorrektur hier nur, wenn das Modell in Echtzeit die verschiedenen Fehlerkoeffizienten erkennt und herausfiltert. Gleichzeitig müssen spezielle Flugmanöver entwickelt und umgesetzt werden, welche die einzelnen Fehleranteile voneinander absetzen und so für die Fehlersuchemodelle besser erkennbar machen.
Mit theoretischen Überlegungen, Simulationen und schließlich Flugversuchen mit einem Messflugzeug wollen die Forscher der TU Braunschweig ihren Ansatz in die Praxis umsetzen. Dafür müssen sie als erstes die fehlerrelevanten Parameter identifizieren und anschließend dynamische Fehlermodelle für das Gravimeter und den Höhensensor erstellen, um die extrem hohen Genauigkeitsanforderungen zu erfüllen. Ist ein solches Modell einmal erstellt, wird es mittels in-flight-Kalibrierungsverfahren getestet. Neben den Sensoren müssen auch die Schnittstellen der Datenübertragung modelliert werden, ebenso die Rechneralgorithmen.
Forschen im Verbund
Andere Arbeitsgruppen, beispielsweise am Institut für Erdmessung und Navigation der Bundeswehr-Universität in München, setzen mit ihren Forschungen an der Optimierung der Navigationssysteme und Lagebestimmungsmethoden für Flugzeuge an.
Insgesamt sollen im Forschungsverbund aus drei Hochschulinstituten und zwei mittelständischen Unternehmen innerhalb der nächsten zwei Jahre drei unterschiedliche Konzepte zur Fluggravimetrie weiterentwickelt, verglichen und für die wirtschaftliche Anwendung nutzbar gemacht werden.
(IFF/TU Braunschweig, BADW, IFEN/UniBW München, 08.09.2003 – NPO)