GEOTECHNOLOGIEN

GEOTECHNOLOGIEN im Focus

Gashydrate: Zeitbombe am Meeresgrund?

Projekt OTEGA © OTEGA

Treibhausgase heizen das Klima der Erde immer mehr an. Doch nicht nur der Mensch dreht mit seinen Kohlendioxid-Emissionen an der Klimaschraube, Gefahr droht auch von unerwarteter Seite – vom Meeresgrund. Mehr als zehn Billionen Tonnen des hochwirksamen Treibhausgases Methan lagern am Grund der Ozeane – größtenteils in gefrorener Form, als Gashydrate. In jedem Kubikmeter Gashydrat stecken 164 Kubikmeter Methan.

Würde auch nur ein kleiner Teil dieses gigantischen Reservoirs in die Atmosphäre entweichen, könnte dies für das irdische Klima fatale Folgen haben. Solange das Gashydrat tiefgekühlt im Meeresboden lagert, bleiben die weißen Brocken stabil. Unter hohem Druck und tiefen Temperaturen bildet das Wasser eine Art Käfig, in dem die Methanmoleküle eingeschlossen sind. Bei normalen Druck und Zimmertemperatur jedoch können die Käfige aufbrechen. Das Gas entweicht. Doch wie groß ist die Gefahr eines solchen Gasausbruchs?

Kein Einzelfall…

Gegeben hat es sie im Laufe der Erdgeschichte jedenfalls schon häufiger. Vor 55 Millionen Jahren ließ die plötzliche Freisetzung von Methan aus dem Sediment ganze Meeresregionen „umkippen“ und löste ein Massenaussterben aus, dem 70 Prozent aller Foraminiferen zum Opfer fielen. Weltweit veränderte sich die Zusammensetzung der Atmosphäre und damit auch das Klima. Wie die Bremer Geowissenschaftlerin Dr. Ursula Röhl im Jahr 1999 erstmals nachwies, brauchte das Klima 120.000 Jahre, um sich von diesem „Methanschock“ zu erholen und sich auf ein neues Gleichgewicht einzupendeln.

Einen weiteren großen Ausbruch hat Prof. Kai-Uwe Hinrichs, Geochemiker an der Universität Bremen gemeinsam mit Kollegen der amerikanischen Woods Hole Oceanographic Institution nachgewiesen. Die Forscher entdeckten in 44.000 Jahre alten Meeressedimenten vor der amerikanischen Westküste deutliche Hinweise auf einen plötzlichen, starken Anstieg der Methangehalte. Ähnliche, wenn auch kleinere Ausbrüche ereigneten sich offenbar noch mehrfach in den folgenden Jahrtausenden.

Rutschungen mit fatalen Folgen

Was löst diese Gaseruptionen aus? Große Methanmengen können, so die Ergebnisse der Forscher, hauptsächlich durch zwei Mechanismen freigesetzt werden. Vor 55 Millionen Jahren legten vermutlich gewaltige Rutschungen am Meeresboden das methanhaltige Sediment frei. Der plötzliche Druckabfall sprengte die Hydrat-Käfige um das Methan und das Gas stieg ungehindert auf – der Atmosphäre entgegen. Bei den späteren kleineren Ausbrüchen waren es dagegen vermutlich Temperaturerhöhungen, die das Methanhydrat in großen Mengen ausgasen ließen.

Obwohl diese Ereignisse nur kleineren Umfangs waren, hatten sie doch globale Auswirkungen: Hinrichs und seine Kollegen stellten eine zeitliche Übereinstimmung der Ausgasungen mit überregionalen Temperaturveränderungen und Konzentrationserhöhungen in der Atmosphäre fest. Offenbar heizte die potente Treibhauswirkung des Methans in diesen Zeitperioden die Temperaturen weltweit noch weiter an.

…und heute?

Wie groß ist die Gefahr, dass heute etwas ähnliches ereignet? Noch haben auch die Gashydratforscher auf diese Frage keine eindeutige Antwort. Nach Ansicht von Hinrichs könnte sich aber eine solche Freisetzung im Prinzip auch heute jederzeit ereignen. Wie groß allerdings die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses tatsächlich ist, weiß bislang noch niemand genau.

Nähere Aufschlüsse über die Stabilität der heutigen Gashydratvorkommen könnte jetzt die Forschungsfahrt OTEGA II liefern, die im Rahmen des Schwerpunktes „Gashydrate im Geosystem“ des Forschungsprogramms GEOTECHNOLOGIEN stattfindet. An Bord des Forschungsschiffes SONNE machen sich am 1. Oktober 2003 Wissenschaftler mehrerer Forschungseinrichtungen aus Deutschland, den USA und Mexiko auf den Weg in den Golf von Mexiko.

Mithilfe von Langzeit-Messsensoren und der Analyse von oberflächennahen Gashydraten wollen die Forscher Informationen darüber gewinnen, wie die Hydrate gebildet und abgebaut werden und welche Mechanismen dafür verantwortlich sind. Ihre Ergebnisse könnten vielleicht schon bald einen entscheidenden Beitrag zur Antwort auf noch offene Fragen liefern.

(OTEGA, GEOMAR, nature, science, 28.08.2003 – NPO)

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