Die Subduktionszone vor der chilenischen Küste gilt als geowissenschaftliches Forscherparadies: Mit einer vergleichsweise hohen Geschwindigkeit von sieben bis zehn Zentimetern pro Jahr schiebt sich hier die ozeanische Nazca-Platte unter den südamerikanischen Kontinent und lässt Jahr um Jahr die Anden höher werden – wäre da nicht die zeitgleiche Erosion, die beständig an den Hängen des zweitgrößten Gebirges der Welt nagt.
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Das im Rahmen des FuE-Programms GEOTECHNOLOGIEN geförderte Projekt „TIPTEQ – From The Incoming Plate to mega-Thrust EarthQuake processes“ soll klären helfen, inwieweit sich die unterschiedlichen Krustenalter der vor Südchile abtauchenden ozeanischen Nazca-Platte auf Prozesse innerhalb der andinen Subduktionszone auswirken. Weiterhin untersuchen die Wissenschaftler, unter anderem vom GFZ Potsdam und dem IFM-GEOMAR Kiel, ob und wie sich die so genannten seismischen Tiefenbrüche an der Erdoberfläche bemerkbar machen.
Methodisches Vorgehen
Die Struktur und die Zusammensetzung der ozeanischen Nazca-Platte und des marinen Forearcs nehmen die Forscher mithilfe hoch auflösender seismischer Profile, der Weitwinkelseismik sowie dem Fächerecholot und der Magnetik unter die Lupe. Zudem registrieren sie auch kleinste Erdstöße, so genannte Mikrobeben. Dadurch gewinnen sie auch Informationen darüber, wie die sich mit dem Alter ändernden thermischen Strukturen der abtauchenden Platte die Geometrie der gesamten seismogenen Zone beeinflussen. Im Bereich der Tiefseerinne und des Vorbogenbeckens („Forearcs“) soll zudem durch geothermische Messungen der Einfluss der Subduktion auf das gesamte thermische Regime des Kontinentrandes erkundet werden.
Plattengrenzflächen im Focus
Da die Eigenschaften insbesondere der Plattengrenzflächen sorgfältig rekonstruiert werden sollen, bestimmen die Forscher zunächst den strukturellen und petro-physikalischen Aufbau der so genannten seismischen Kopplungszone. In diesem Bereich hatte 1960 das südchilenische Starkbeben stattgefunden. Die Beobachtung des Wellenfeldes lokaler und überregionaler Erdbeben lässt zudem eine strukturelle Analyse des Forearc-Bereiches zu. Ein Teil der Messungen findet mithilfe von Messflugzeugen statt. Erst wenn die „Luftdaten“ für das komplette Gebiet vorliegen, können die Wissenschaftler auch die lateralen Veränderungen des Schwere- und Magnetfeldes im Bereich des Forearcs ermitteln.
Tiefsee-Sedimentation
Im Mittelpunkt weiterer Forschungen stehen Untersuchungen zum Eintrag von Sedimenten in die Subduktionszone. Insbesondere die Herkunft, aber auch die mechanisch-chemischen Eigenschaften dieser Tiefsee-Sedimente sollen geklärt werden. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach nehmen diese Ablagerungen im Bereich der Tiefseerinne und des Kontinentalhangs einen großen Einfluss auf das seismogene Verhalten der oberen Stockwerke der Sedimentationszone.
Ein wichtiges Ziel der Forschungsarbeiten ist es, die Beziehung zwischen den in der Tiefe ausgelösten seismischen Aktivitäten und den oberflächennahen Verformungen des Untergrunds zu erfassen. Denn möglicherweise lassen sich die so genannten seismischen Tiefenbrüche, die für die verheerenden Starkbeben verantwortlich sein könnten, durch entsprechende Veränderungen an der Erdoberfläche lokalisieren. Mittels GPS vermessen die Wissenschaftler daher insbesondere noch junge Oberflächendeformationen und erhoffen sich, daraus Rückschlüsse auf die Prozesse in der Tiefe ziehen zu können.
(GFZ Potsdam, GEOTECHNOLOGIE; TIPTEQ, IFM-Geomar, 09.11.2004 – AHE)