„Wir haben festgestellt, dass Amenophis bei seinem Tod etwa 35 Jahre alt war“, berichtet der Forscher weiter. Dieses Alter passe besser zu den historischen Überlieferungen und der Länge seiner Regentschaft als frühere Angaben, die das Alter des Pharao auf nur 25 Jahre geschätzt hatten. „Er war 1,69 Meter groß, beschnitten und hatte gute Zähne. Äußerlich scheint er zudem seinem Vater ähnlich gesehen zu haben: Er hatte ein schmales Kinn, eine kleine, schmale Nase, lockige Haare und leicht vorstehende obere Zähne“, sagt Saleem.
Keine Hinweise auf die Todesursache
Interessant ist jedoch auch, was nicht zu sehen ist: Saleem und Hawass konnten keine offensichtlichen Hinweise auf die Todesursache des noch relativ jung gestorbenen Königs finden. „Wir haben keine Verletzungen oder Spuren von Krankheiten finden können“, berichten sie. Woran Amenophis I. starb, verrät seine Mumie daher nicht. Anders als bei späteren Königsmumien wurden Herz und Gehirn des Pharaos bei der Einbalsamierung nicht entfernt, sie sind beide noch erhalten.
Die Aufnahmen zeigen allerdings, dass der Körper des Toten zahlreiche Schäden nach seinem Tod davongetragen hat. Brüche an den Gliedmaßen, dem Hals und ein großes Loch in der Bauchdecke zeugen davon, dass die Mumie von Grabräubern beschädigt worden war. „Die postmortalen Verletzungen an Nacken, Gliedmaßen und dem Bauch passen dazu, weil Grabräuber an diesen Stellen oft nach Amuletten suchen“, erklären die Wissenschaftler.
Vor Grabräubern gerettet
Gestützt wird dies durch historische Papyri aus der Zeit, die im Tempel von Medinet Habu gefunden wurden und die über Grabraub und Diebstahl in der Nekropolis von Theben berichten. Dies war vermutlich auch der Grund, warum Amun-Priester die sterblichen Überreste des Pharaos Amenophis I. und weitere royale Mumien im 11. Jahrhundert vor Christus aus ihren ursprünglichen Gräbern nahmen, sie neu präparierten und an anderer Stelle versteckten.
„Wir zeigen, dass die Priester der 21. Dynastie die durch die Grabräuber verursachten Verletzungen liebevoll reparierten und die Mumie zu ihrer früheren Glorie restaurierten“, berichtet Saleem. Auch 30 Amulette, die den Pharao im Jenseits beschützten sollten, sind noch erhalten, darunter auch das Herzamulett und zwei im Bauchraum platzierte Schmuckstücke. Die Amulette zeigen Motive wie das Auge des Horus, Skarabäen, Schlangenköpfe und eine Doppelfeder. „Die Macht eines Amuletts lag in seiner Form, im Material und in der Farbe“, erklären Saleem und Hawass.
Ebenfalls erhalten ist eine Kette aus 34 goldenen Perlen, die der tote Pharao quer über den unteren Rücken geschlungen trug. Ob diese Kette schon bei der ursprünglichen Einbalsamierung dort platziert wurde oder erst bei der Umbettung rund 400 Jahre später, ist unklar.
Sorgsame Restaurierung
„Die Tatsache, dass die Mumie von Amenophis I. in der Neuzeit nicht ausgepackt wurde, hat uns die einzigartige Chance geboten, nicht nur zu untersuchen, wie der Pharao ursprünglich mumifiziert und bestattet wurde, sondern auch, wie ihn die Hohepriester des Amun Jahrhunderte nach seinem Tod noch einmal behandelten und bestatteten“, sagt Saleem. Sie könnten es auch gewesen sein, die die Mumie mit farbenprächtigen Blumengirlanden schmückten.
„Dem Umbettungsprojekt durch die Priester der 21. Dynastie wurde nachgesagt, dass es nur dazu diente, Ausstattung und Schmuck der alten Mumien zu entnehmen und für die Bestattung der Könige der dritten Zwischenperiode wiederzuverwenden“, erklären Saleem und Hawass. Doch die neuen CT-Aufnehmen belegen, dass die Hohepriester damals die Mumie von Amenophis sorgsam restaurierten und wertvolle Amulette und Schmuck am Toten ließen oder sie sogar hinzufügten. (Frontiers in Medicine, 2021; doi: 10.3389/fmed.2021.778498)
Quelle: Frontiers
28. Dezember 2021
- Nadja Podbregar