Ein Team von amerikanischen Wissenschaftlern hat zum ersten Mal ein völlig neues geologisches Phänomen dokumentiert: Ein „Anti-Plume“ – ein sich auftuender Bereich im Meeresgrund, der das umgebende Wasser in sich hineinsaugt. Wie an der Juan-de-Fuca-Platte vor der amerikanischen Westküste beobachtet, entsteht eine solcher „Wassersauger“ im Verlauf des „Seafloor-Spreading“, der langsamen Neubildung ozeanischer Kruste.
Wie die Forscher um Robert Dziak von der Oregon State Universität, Earl Davis vom kanadischen Geological Survey und weiteren Kollegen von der Universität von Washington in der Zeitschrift Nature berichten, ist diese Entdeckung bedeutend, da sie einen neuen Aspekt zum wissenschaftlichen Verständnis der Vorgänge beim Seafloor-Spreading, einem der grundlegenden Prozesse der Plattentektonik und der Bildung von ozeanischer Kruste beitragen.
„Wassersauger“ am Meeresgrund
„Gerade, wenn man glaubt, verstanden zu haben, wie die Prozesse arbeiten, kommt eine neue Wendung“, erklärt Dzial. „Es gab dort eine Episode des Seafloor-Spreading in einem Teil des Juan de Fuca Rückens, der mit hunderten Metern Sediment bedeckt war. Normalerweise wird in einem solchen Falle Lava ausgestoßen, breitet sich auf dem Meeresboden aus und heiße Flüssigkeit wird in das umgebende Wasser abgegeben.“ Er fährt fort: „Doch in diesem Fall saugte diese Stelle tatsächlich Wasser unter die Oberfläche – etwas, was Wissenschaftler noch niemals zuvor beobachtet haben.“
Nach Ansicht von Dziak hat die das Seafloor-Spreading offenbar die ozeanische Kruste ausgedehnt und dabei den Porenraum zwischen den Gesteinsteilchen wie bei einem Schwamm vergrößert. „Es ist wie ein ‚Anti-Plume‘“, erklärt er. „Statt Material aus dem Inneren der Erde hinauf zum Meeresboden zu transportieren, saugt es einfach das Meerwasser in die Tiefe.“
Auswirkungen vielfältig
Die Forscher sind sich noch nicht sicher, was genau diese Ausdehnung des Gesteins bewirkt, die Auswirkungen dieser Entdeckung sind jedoch vielfältig, soviel scheint jetzt schon klar. So verändert es auf jeden Fall Vorstellung von einem „automatischen“ Ausfließen von Lava oder heißer Flüssigkeit über hydrothermale Schlote an solchen Orten, wie sie bisher im Rahmen der Theorie der Plattentektonik angenommen wurde.
Insbesondere die Größe dieser potenziellen „Hohlräume“ interessiert die Wissenschaftler, die noch nicht wissen, wieviel Meerwasser eingesaugt werden kann. Wenn sie relativ groß oder häufig sind, könnten sie die Temperaturen und die chemische Zusammensetzung des umgebenden Wassers entscheidend beeinflussen.
Gleichzeitig könnte das eingesogene Meerwasser auch das Wachstum von Bakterien in der so genannten Tiefen Biosphäre fördern. In den letzten Jahren mehren sich Hinweise darauf, dass die Sphäre des Lebens sich weitaus tiefer erstreckt, als bislang angenommen. Wissenschaftler entdeckten noch Mikroben in einem Bohrloch 1.200 Meter tief im vulkanischen Basaltgestein. Insbesondere Basalt weist, wie der Ozeanograph Martin Fisk in einer Veröffentlichung 2003 betonte, alle wichtigen Elemente auf, um Leben zu erlauben, darunter Kohlenstoff, Phosphor und Wasserstoff. Nur Wasser fehlte bisher, um die Gleichung zu vervollständigen.
(Oregon State University, 16.07.2004 – NPO)