Bessere Versorgung in Sicht? Deutschland baut zu wenig seiner für die Industrie benötigten Rohstoffe in heimischen Bergwerken und Steinbrüchen ab und ist nach wie vor auf Importe angewiesen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Doch zumindest für die strategisch wichtigen Metalle Kupfer und Lithium soll sich das ändern. Diese für die Verkehrs- und Energiewende „kritischen Rohstoffe“ sollen künftig auch in Sachsen und am Oberrhein in großem Maßstab abgebaut werden. Was ist konkret geplant?
Für ihre Produktion von Stahl, Keramik, Glas, Elektronik und Chemikalien ist die deutsche Wirtschaft auf verschiedene mineralische und metallische Rohstoffe angewiesen. Damit die hiesige Industrie auch langfristig mit Firmen im Ausland konkurrieren kann, braucht sie eine zuverlässige Versorgung mit diesen Mineralien. Durch geopolitische Konflikte wie Kriege, dadurch gestiegene Energiekosten und unterbrochene Lieferketten sind die Rohstoffpreise in den vergangenen Jahren allerdings teils deutlich gestiegen. Seitdem gibt es verstärkt Bemühungen, die deutsche Wirtschaft wieder unabhängiger von der Weltwirtschaft aufzustellen.
Bestandaufnahme des deutschen Bergbaus
Doch wie viele der benötigten Rohstoffe kommen in Deutschlands Untergrund überhaupt vor? Welche lassen sich hier auch in Zukunft noch gewinnen und welche müssen derzeit und künftig importiert werden? Dies hat nun ein Team der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) um Sören Henning noch einmal eingehender untersucht.
Im Fokus standen dabei vor allem die Rohstoffe, für die es Vorkommen in Deutschland gibt, darunter mineralische Rohstoffe wie Sand oder Kies, aber auch metallhaltige Erze. Das Team hat ermittelt, in welchen Mengen diese Rohstoffe in den heimischen Bergwerken abgebaut werden und welche Mengen theoretisch künftig abgebaut werden könnten. Dies verglichen sie mit dem Bedarf der deutschen Industrie, etwa für kritische Infrastrukturprojekte und die Digitalisierung.
Manko bei strategisch wichtigen Hightech- Rohstoffen
Das Ergebnis: „Ein Großteil der jährlich in Deutschland benötigten mineralischen Rohstoffe werden aus heimischen Lagerstätten gewonnen“, berichtet Volker Steinbach von der BGR. Das seien insbesondere Steine-und-Erden-Rohstoffe – dazu zählen beispielsweise Natursteine, Kies, Splitt und Sand – sowie einzelne Industrieminerale. „Bei den von der EU als kritisch beziehungsweise strategisch eingestuften mineralischen Rohstoffen verfügt Deutschland allerdings über eine vergleichsweise geringe Produktion“, so Steinbach weiter.
Laut dem „Critical Raw Materials Act“, den die EU im April 2024 verabschiedet hat, gelten insgesamt 34 Rohstoffe als kritisch oder strategisch wichtig für die europäische Wirtschaft. Aus dieser Liste gewinnt Deutschland aktuell nur Fluss- und Schwerspat, Feldspat, Graphit sowie grobkörnigen Quarz oder Quarzkies. Letzteres wird beispielsweise für die Herstellung von Silizium, etwa für Solarzellen und Halbleiter, benötigt und gelten daher als strategisch wichtig. Bei diesen Materialien sind die Vorkommen noch nicht ausgeschöpft und könnten theoretisch weiter ausgebaut werden.
Bei den meisten industriell wichtigen Metall-Rohstoffen ist Deutschland aber weitgehend auf Importe angewiesen – weil sie hier nicht oder nicht in ausreichenden Mengen vorkommen oder aktuell nicht genug gefördert werden. In diese Gruppe fallen beispielsweise die Seltenen Erden, Aluminium und Spurenmetalle wie Germanium, Gallium und Indium. Auch bestehende Recyclingmaßnahmen können den Bedarf nicht decken.
Genug Kupfer für 18 Millionen Elektroautos
Um künftig „kritische Rohstoffe“ verstärkt auch hierzulande abzubauen, gibt es aber zumindest einige neue Vorhaben und Bemühungen, wie die Autoren berichten. Diese betreffen in erster Linie die Metalle Kupfer und Lithium. Beide sind für die Energie- und Verkehrswende von zentraler Bedeutung, beispielsweise für den Bau von elektrischen Leitungen und Batterien für E-Autos. Der noch in deutschen Böden befindliche Kupferschiefer beinhaltet den Schätzungen zufolge 2,4 Millionen Tonnen Kupfer. Statt wie bislang Kupfer aus Ländern wie Chile, Brasilien und Peru zu importieren, könnte das Metall demnach auch hier abgebaut werden.
Eine der Lagerstätten, für die ein Kupfer-Abbau geplant ist, liegt an der Grenze von Brandenburg und Sachsen. Dort könnten Modellen zufolge rund 90 bis 130 Millionen Tonnen sulfidische Kupfererze im Untergrund liegen – genug, um im Zeitraum von 20 Jahren 1,5 bis 1,8 Millionen Tonnen metallisches Kupfer zu gewinnen. „Diese Menge würde ausreichen, um etwa 18 Millionen Elektroautos oder 750.000 Windräder mit elektrischen Leitungen zu versehen”, erklärt das BGR-Team.
Heimische Lithiumgewinnung nimmt Fahrt auf
Zudem befinden sich in hiesigem Gestein, vor allem im sächsischen Erzgebirge, noch rund 3,8 Millionen Tonnen Lithium. Damit verfügt Deutschland über die weltweit siebtgrößten Lithium-Ressourcen. Dennoch importieren wir das Metall bislang vor allem aus Chile. Künftig könnte es stattdessen ebenfalls hier abgebaut werden. Im sächsischen Zinnwald haben die Arbeiten für ein Untertagebergwerk mit einer jährlichen Erzförderung von 1,5 Millionen Tonnen bereits begonnen. „Nach Unternehmensangaben sollen zukünftig jährlich 16.000 bis 18.000 Tonnen Lithiumhydroxid in Batteriequalität gewonnen werden”, schreibt das BGR.
Ein Teil des benötigten Lithiums soll künftig zudem als Nebenprodukt aus heißen Tiefenwässern in Geothermiekraftwerken gewonnen werden. Am Oberrheingraben laufen bereits mehrere Pilotanlagen, die Lithium aus dem für die Geothermie geförderten Tiefenwasser abscheiden. Das Unternehmen Vulcan plant, in einer solchen Extraktionsanlage jährlich 24.000 Tonnen Lithiumhydroxidmonohydrat zu produzieren – genug für rund 500.000 Elektrofahrzeuge pro Jahr. Der Energieversorger EnBW plant, die bereits laufende Pilotanlage in Bruchsal zwischen Heidelberg und Karlsruhe so weit auszubauen, dass dort jährlich genug Lithium für 20.000 Autobatterien produziert wird.
Hürden für den hiesigen Bergbau
Ob alle geplanten Abbauvorhaben auch umgesetzt werden und die theoretisch verfügbaren Rohstoffe tatsächlich aus der Erde geholt werden, ist allerdings nicht sicher. Denn der hiesige Bergbau hat mit einigen Hürden zu kämpfen. „Genehmigungen scheitern häufig an einer verbreitet geringen Akzeptanz der Bevölkerung für die heimische Rohstoffgewinnung“, sagt Michael Szurlies von der BGR. Zuständig für die Genehmigungen sind jeweils die Bundesländer.
Bis zu einer möglichen Förderung der Mineralien sind zudem beträchtliche Investitionen nötig. Bei Erkundungen muss demnach mittels Bohrproben noch genauer geprüft werden, wie viel Rohstoffe dort tatsächlich zugänglich sind und ob es sich wirtschaftlich lohnt, diese aufzubereiten. Hinzu kommen hohe Lohn- und Energiekosten sowie Umweltstandards in Deutschland. Unterm Strich könnte der Import für die Firmen daher teilweise lukrativer sein als der hiesige Bergbau – auch wenn dieser politisch gefördert und erwünscht wird.
Tiefseebergbau in Übersee?
Einige Rohstoffe kommen in Deutschland nicht vor, werden aber ebenfalls dringend benötigt. Dazu zählt beispielsweise Mangan, das unter anderem für Batterien und zur Stahlproduktion verwendet wird. Die Bundesregierung hat sich daher die Rechte gesichert, um Manganvorkommen in der Tiefsee im östlichen äquatorialen Pazifik zu erkunden. Aber auch der Tiefseebergbau ist mit Risiken und Hürden verbunden. Ob Mangan und andere Rohstoffe künftig von dort gewonnen werden, bleibt daher ebenfalls offen. (BGR-Kurzstudie, doi: 10.25928/gs41-xb85)
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)