Die gewaltigen, hochaufragenden Wolken starker Gewitter erzeugen nicht nur Blitze und sogar Gammastrahlenblitze, sie sind auch für rasend schnelle Ströme aus Elektronen und Antimaterie in Form von Positronen verantwortlich. Das hat jetzt das NASA-Gammastrahlen-Observatorium „Fermi“ erstmals eindeutig bewiesen. Forscher schätzen, dass Gewitter täglich bis zu 500 terrestrische Gammablitze erzeugen, möglicherweise produzieren sie alle solche Teilchenströme.
Das Fermi-Weltraumteleskop der NASA ist dafür ausgelegt, Gammastrahlen einzufangen, die energiereichste Form elektromagnetischer Strahlung. Obwohl das Teleskop primär Gammastrahlenausbrüche im Kosmos beobachten soll, hat es jetzt auch völlig neue Einblicke in ein seltsames Phänomen hier auf der Erde geliefert: Ströme von Antimaterie, die von Gewittern in unserer Atmosphäre ausgehen.
Gammablitze aus Gewitterwolken
Seit seinem Start im Jahr 2008 hatte Fermi 130 Gammastrahlenblitze registriert, die nicht aus dem All kamen, sondern von unterhalb seiner Position. Als die Astrophysiker die Ursprungsorte dieser terrestrischen Gammablitze (TGF) genauer untersuchten, stellten sie fest, dass in jedem Falle an dieser Stelle gerade ein starker Gewittersturm mit Blitzen und Donner tobte. Schon seit längerem hatten Wissenschaftler vermutet, dass die starken elektrischen Felder nahe der Oberseite der Gewitterwolken auch Gammablitze ausschleudern können. Wenn die elektrischen Felder stark genug sind, so die Theorie, treiben sie eine Art Aufwärtslawine von Elektronen an. Mit Geschwindigkeiten nahe der des Lichts rasen die energiereichen Elektronen in die Höhe und senden Gammastrahlen aus, wenn sie mit Molekülen der Luft kollidieren.
Gammablitz erzeugt Antimaterie in Form von Positronen
Diese Gammastrahlung wird teilweise – möglicherweise sogar immer – in Teilchenpaare aus je einem Elektron und einem Positron transformiert. Der resultierende Strom aus Elektronen und ihren Antiteilchen rast über die Atmosphärengrenze hinaus in den erdnahen Weltraum. Hier treffen sie unter anderem auch auf das Weltraumteleskop Fermi. Kollidiert ein Positron mit normaler Materie, beispielsweise im Detektor von Fermi, löschen sich das Positron und ein Elektron des Materials gegenseitig aus und es entsteht auch hier wieder Energie in Form von Gammastrahlung.
„Diese Signale sind der erste direkte Beweis dafür, dass Gewitter Antimaterie-Strahlen erzeugen“, erklärt Michael Briggs von der Universität von Alabama, Forscher des „Gamma-ray Burst Monitor“ (GBM)-Teams. Solche bis zu 51.000 Elektronenvolt erreichenden Blitze registrierte das Gammastrahlenteleskop bisher rund 130 Mal – ein Hinweis darauf, dass hohe Gewitterwolken solche Teilchenströme aussenden. Die Fermi-Forscher gehen davon aus, dass sogar rund 500 terrestrische Gammablitze täglich bei Gewittern entstehen, doch die meisten von ihnen bleiben unbemerkt, weil sie gerade nicht im Blickfeld eines Gammastrahlenobservatoriums sind.
Magnetfeldlinie als „Autobahn“ für Positronen
Bei einer Gelegenheit allerdings befand sich das Weltraumteleskop gerade über Ägypten, als ein aktiver Gewittersturm in Sambia, 4.500 Kilometer von Fermis Position entfernt, tobte. Das Gewitter befand sich von Fermi aus gesehen unter dem Horizont. „Obwohl Fermi den Sturm nicht sehen könnte, war die Sonde dennoch magnetisch mit diesem verbunden”, erklärt Joseph Dwyer vom Florida Institute of Technology. „Der terrestrische Gammablitz erzeugte Hochgeschwindigkeits-Elektronen und Positronen, die dann die Magnetfeldlinien entlangrasten und das Fermi-Teleskop trafen.“
Der Teilchenstrom raste weiter bis zu einem Punkt, an dem sich seine Bewegung plötzlich umkehrte, dem so genannten Spiegelpunkt. 23 Millisekunden später traf der Strahl das Teleskop daher erneut. Bei jeder Passage kollidierten einige Positronen mit Elektronen des Teleskopmaterials und löschten einander aus. Jedes Mal wurde dabei Energie in Form von Gammastrahlen abgegeben, die Fermi registrieren konnte.
„Die Fermi-Ergebnisse bringen uns einen Schritt näher an das Verstehen, wie terrestrische Gammablitze funktionieren“, erklärt Steven Cummer von der Duke Universität. „Wir müssen aber noch immer herausfinden, was das Besondere an diesen Gewitterstürmen ist und welche genaue Rolle das Blitzen für den Prozess spielt.“ Cummer hat die neuen Erkenntnisse am 10. Januar 2011 auf einer Tagung der American Astronomical Society in Seattle vorgestellt.
(NASA, 13.01.2011 – NPO)