Das Eis der Berggletscher enthält mehr organisches Material als bisher angenommen. Forscher haben zahlreiche verschiedene Relikte von Pflanzen und Tieren in österreichischen Gletschern entdeckt, die bis zu 8.000 Jahre lang im Eis konserviert worden waren. Ihre in „Nature Geoscience“ veröffentlichte Studie zeigt aber auch, dass dieser alte Kohlenstoff über das Schmelzwasser in die Bäche gelangt und dort den Kohlenstoffkreislauf beeinflusst.
Der weltweite Rückgang von Gebirgsgletschern hat Konsequenzen für den Wasserkreislauf, insbesondere für den Anstieg der Weltmeere. Dass Gletscher auch den Kohlenstoffkreislauf beeinflussen können, war bislang dagegen wenig bekannt. Ein internationales Team um Tom J. Battin vom Department für Limnologie der Universität Wien hat nun die biogeochemische Vielfalt von organischen Kohlenstoffverbindungen in 26 österreichischen Gletschern erforscht.
Die Wissenschaftler untersuchten für ihre Studie tausende organische Verbindungen im Gletschereis mittels super-hochauflösender Massenspektrometrie und bestimmten das Alter von organischem Kohlenstoff im Gletschereis. Auch die Bioverfügbarkeit von diesen alten Kohlenstoffverbindungen für die Mikroorganismen in den Gletscherbächen wurde untersucht. Zum ersten Mal ist es damit den Wissenschaftlern gelungen, das Alter und die Bioverfügbarkeit auf Molekülebene mit der chemischen Zusammensetzung vom organischen Kohlenstoff zu verbinden.
Unerwartet hohe Vielfalt der Kohlenstoffverbindungen
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die biogeochemische Diversität der Kohlenstoffverbindungen im Gletschereis unerwartet hoch ist. Den größten Anteil an organischen Kohlenstoff im Gletschereis machen chemische Verbindungen pflanzlichen und mikrobiellen Ursprungs aus. Hingegen waren Verbrennungsprodukte nur schwach im Gletschereis vertreten. Obwohl diese Verbindungen bis zu 8.000 Jahre alt sind, sind sie dennoch als Ressource für Mikroorganismen im Gletscherbach verfügbar, wie die Analysen ergaben. Dass alter Kohlenstoff bioverfügbar ist, widerspricht gängigen Meinungen und unterstreicht die Rolle von Gletschern als „Tiefkühltruhe“, in der organisches Material konserviert bleibt.
Die Studie zeigt erstmals, dass organischer Kohlenstoff aus Gletschern auch die Lebenswelt in Gletscherbächen beeinflussen kann. Denn das im Schmelzwasser enthaltene organische Material wird von Organismen in den Bächen abgebaut und der alte Kohlenstoff gelangt als Kohlendioxid in die Atmosphäre. Die Ergebnisse tragen zum Verständnis der Rolle von Binnengewässern zum globalen Kohlenstoffkreislauf bei. (Nature Geoscience 2012; doi:10.1038/NGEO1581)
(Universität Wien, 17.09.2012 – NPO)