Inventur in Sachen Wald: Auf unserem Planeten gibt es rund zehn Prozent mehr Waldfläche als angenommen. Das zumindest legt nun eine Auswertung hochauflösender Google-Earth-Bilder nahe. Der Grund für die Diskrepanz ist der bisher unterschätzte Bestand von Trockenwäldern. Demnach ist die damit bedeckte Fläche 40 bis 47 Prozent größer als frühere Berechnungen ergaben. Das entspricht rund 467 Millionen Hektar Wald, die bisher in keiner Bestandsaufnahme auftauchen, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Ob in den Tropen, in gemäßigten Breiten und sogar bis in den hohen Norden: Bäume gibt es fast überall auf der Erde. Satellitenbilder zeigen eindrücklich, dass unser Planet nicht nur ein blauer, sondern auch ein grüner Planet mit vielen ausgedehnten Waldflächen ist. Schätzungen zufolge wachsen rund drei Billionen Bäume auf der Erde, die das Treibhausgas Kohlendioxid binden, Sauerstoff abgeben und darüber hinaus unzähligen Tieren einen Lebensraum bieten. Auf jeden Menschen kommen demnach sage und schreibe 422 Bäume.
Oder sind es womöglich sogar noch viel mehr? Wissenschaftler um Jean-Francois Bastin von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom glauben, ja. Sie haben sich die internationalen Waldbestände noch einmal genauer angesehen und kommen zu dem Schluss: Es gibt mehr Wald auf der Erde als bisher angenommen.
Trockenwälder im Fokus
Für ihre Studie konzentrierten sich die Forscher auf die Wälder in trockenen Lebensräumen. Diese Habitate machen über 40 Prozent der globalen Landfläche aus. Ihre Waldbedeckung lasse sich anhand von Satellitenbildern jedoch nur schwer abschätzen, schreibt das Team: etwa wegen Schattenwürfen in offenen Wäldern und der geringen Reflexion dort wachsender Bäume wie Akazien- und Eukalyptusarten. Entsprechend seien bisherige Schätzungen für Trockenwald teils erheblich voneinander abgewichen.
Um den Baumbestand dieser mit Unsicherheit behafteten Flächen genauer abschätzen zu können, nutzten Bastin und seine Kollegen besonders hochauflösende Bilder von Google Earth. Mit deren Hilfe analysierten sie mehr als 200.000 kleinere, über den Globus verteilte Gebiete im Detail und rechneten die Ergebnisse anschließend auf die Gesamtheit trockener Lebensräume weltweit hoch.
Deutliche Diskrepanz
Die Kalkulationen ergaben eine deutliche Diskrepanz: Die von Trockenwäldern bedeckte Fläche ist demnach 40 bis 47 Prozent größer als frühere Berechnungen ergaben. Das entspricht rund 467 Millionen Hektar Wald, die bisher in keiner Bestandsaufnahme auftauchen. Insgesamt bedeckt der Trockenwald den neuen Auswertungen zufolge nun 1.079 Millionen Hektar. „Die gesamte Fläche von Trockenwald ist damit ähnlich groß wie die des tropischen Regenwalds“, schreiben die Wissenschaftler.
Der unerwartete Zuwachs bedeutet, dass es auf der Erde knapp zehn Prozent mehr Wald gibt als gedacht. Das habe auch Auswirkungen auf aktuelle Klimamodelle, weil Bäume der Atmosphäre große Mengen Kohlenstoff entziehen, wie die Forscher betonen. Welchen Beitrag die Wälder als Kohlenstoffspeicher der Erde wirklich leisten, könne dank der neuen Daten nun genauer berechnet werden. (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aam6527)
(American Association for the Advancement of Science (AAAS), 15.05.2017 – DAL)