Umwelt

Glyphosat: Unterschätzte Phosphorschleuder

Herbizid setzt ähnlich viel Phosphor frei wie Tenside – und fördert so die Überdüngung

Glyphosat
Glyphosat enthält rund 18 Massenprozent Phosphor – genau das wird inzwischen um Problem. © designer491/ iStock.com

Überdüngung: Das umstrittene Herbizid Glyphosat hat eine bisher unterschätzte Umweltwirkung – es setzt bei seinem Abbau Phosphor in Wasser und Boden frei. Dies kann zur Überdüngung von Gewässern führen. Eine aktuelle Studie enthüllt: Durch den rapiden Anstieg der Glyphosateinsatzes gelangen inzwischen jährlich 151,3 Millionen Kilogramm Phosphor aus dem Herbizid in die Umwelt – ähnlich viel wie durch Tenside. Dieser bisher unterschätzte Aspekt müsse dringend in die Diskussionen mit einbezogen werden, warnen die Forscher.

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel: 8,6 Milliarden Kilogramm des Wirkstoffs wurden seit 1974 auf Felder gesprüht – meist kombiniert mit dem Anbau von Raps, Soja oder Mais, die gentechnisch gegen das Mittel resistent gemacht wurden. Gleichzeitig ist Glyphosat stark umstritten, weil einige Institutionen wie die WHO das Mittel für krebserregend halten, andere, wie die EU-Behörden ECHA und EFSA dagegen nicht.

Pestizideinsatz
Weltweit hat die ausgebrachte Glyphosatmenge seit 1994 um das 15-Fache zugenommen. © oticki/ iStock.com

Glyphosat als Phosphorquelle

Doch unabhängig davon könnte es noch einen anderen Grund zur Besorgnis geben, wie nun Marie-Pier Hébert und ihre Kollegen von der kanadischen McGill University feststellen. Denn das zunehmend in Böden und Gewässern vorkommende Herbizid trägt auch zur Überdüngung bei. „Glyphosat enthält 18,3 Massenprozent Phosphor“, erklären die Forscher. „Damit repräsentiert seine Ausbringung einen Einstrom anthropogenen Phosphors in die Umwelt.“

Das Problem: Phosphor ist zwar ein unverzichtbarer Pflanzennährstoff, aber zu viel davon führen zur Eutrophierung von Gewässern und Ozeanen. Schon vor einigen Jahren warnten Forscher deshalb, dass die planetare Belastungsgrenze des Phosphorkreislaufs überschritten sein könnte – unter anderem durch zu viel Düngereintrag in der Landwirtschaft. „Trotzdem wurde der Phosphoreintrag durch Pestizide bislang weitgehend ignoriert“, sagen die Forscher.

Grund genug, die konkrete Phosphorbelastung durch dieses Herbizid genauer zu ermitteln. Für ihre Studie werteten die Forscher Daten zum Glyphosat- und Phosphordünger-Einsatz sowohl in den USA als auch weltweit aus. Daraus errechneten sie, wie viel Phosphor in verschiedenen Anbaugebieten in die Umwelt gelangt.

„Nicht mehr vernachlässigbar“

Das Ergebnis: Weltweit gelangen allein durch Glyphosat jährlich 151,3 Millionen Kilogramm Phosphor in die Umwelt. „Insgesamt wurden dadurch zwischen 1994 und 2014 1.484 Gigagramm Phosphor in Form von Glyphosat eingetragen“, berichten Hébert und ihre Kollegen. „Damit ist Glyphosat als Phosphorquelle nicht mehr länger vernachlässigbar.“ Der Phosphoreintrag durch das Herbizid bewege sich inzwischen in einem ähnlichen Mengenbereich wie die bereits regulierten Einträge beispielsweise durch Tenside.

Doch im Gegensatz zum Dünger gibt es bisher keine Beschränkungen für den Phosphoreintrag durch das Herbizid. Das aber könnte nun dringend nötig werden, meinen die Forscher. Denn der Glyphosateinsatz ist in den letzten Jahren weltweit um das 15-Fache angestiegen. Während der Düngemitteleinsatz vielerorts inzwischen rückläufig ist, nimmt dadurch der Phosphoreintrag durch das Herbizid im Schnitt um jährlich eine Gigatonne zu.

Schnelle Phosphorfreisetzung in Gewässern

„Der rapide Anstieg in der Glyphosatnutzung hat seine relative Bedeutung als Quelle anthropogenen Phosphors vervielfacht – vor allem in Regionen mit intensivem Mais-, Soja- und Baumwollanbau“, so die Wissenschaftler. Hotspots dafür sind neben Brasilien, Argentinien und China vor allem die USA: Sie allein sind für rund ein Sechstel des weltweiten Glyphosat-Phosphors verantwortlich, wie Hébert und ihr Team ermittelten.

Das Problem: Ein großer Anteil des ausgebrachten Herbizids wird von den Äckern in Bäche, Seen und Flüsse gespült. Dort wird es relativ schnell chemisch und biologisch abgebaut. „Dass das Glyphosat im Wasser schnell degradiert, galt bisher als Argument gegen potenzielle Gesundheits- und Umweltrisiken“, erklären die Forscher. „Aber gerade dieser schnelle Zerfall führt auch zu einer schnellen Freisetzung des Phosphors.“ Und das wiederum fördert die Eutrophierung der Gewässer.

„Unserer Ansicht nach ist es daher entscheidend wichtig, die Diskussion um die Umweltwirkung von Glyphosat nun auf diesen Aspekt auszuweiten“, betont Hébert. (Frontiers in Ecology and the Environment, 2019; doi: 10.1002/fee.1985)

Quelle: McGill University

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