Bedenklicher Trend: Das Meer rund um Grönland wird immer süßer. Selbst im kalten Nordosten der Insel ist der Salzgehalt der Küstengewässer bereits signifikant gesunken, wie Langzeitmessungen jetzt belegen. Das Besorgniserregende daran: Das salzarme Meerwasser strömt an Grönlands Küsten entlang nach Süden und beeinflusst dort die Funktion der nordatlantischen Umwälzpumpe – den Prozess, der den für Europas Klima so wichtigen Nordatlantikstrom antreibt.
Die Gletscher Grönlands sind das zweitgrößte Wassereis-Reservoir der Erde – doch dieses schrumpft rapide. Grönland verliert jedes Jahr das Fünffache des Bodensees an Schmelzwasser, wahrscheinlich sogar noch deutlich mehr, wie Eismessungen belegen.
Gefahr für den Nordatlantikstrom?
Das Problem dabei: Dieses Schmelzwasser lässt nicht nur den Meeresspiegel ansteigen, es verringert auch den Salzgehalt im Nordatlantik. Der Süßwasser-Einstrom stört die Umwälzpumpe, die den für das Klima Europas so wichtigen Nordatlantikstrom antreibt. Bereits 2015 registrierten Forscher erste Anzeichen für eine Abschwächung, obwohl momentan ein Großteil des polaren Schmelzwassers noch nach Süden abgeleitet wird.
Doch diese „Umleitung“ könnte bald nicht mehr ausreichen, um den Nordatlantikstrom zu schützen. Mikael K. Sejr von arktischen Forschungszentrum in Aarhus und seine Kollegen haben herausgefunden, dass das Polarmeer inzwischen selbst vor dem kaum von der Eisschmelze betroffenen Nordosten Grönlands deutlich süßer wird. Für ihre Studie hatten sie den Salzgehalt und den Einstrom von Süßwasser im Young Sound über 13 Jahre hinweg gemessen und ausgewertet.
Signifikant weniger Salz im Meerwasser
Das Ergebnis: Vor allem die Wasserschichten unter der Meeresoberfläche sind in den letzten 13 Jahren bereits messbar süßer geworden. Der Salzgehalt sank im Durchschnitt um 0,12 Einheiten pro Jahr, wie die Forscher berichten. Gleichzeitig sank die Grenzschicht zwischen dem salzigeren, kalten Tiefenwasser und dem salzärmeren Oberflächenwasser von 25 auf rund 50 Meter ab.
„Dies ist der erste direkte Beweis dafür, dass das Wasser rund um das grönländische Eisschild bereits signifikant süßer geworden ist – und dies in einer Region, wo die Eisschmelze bisher noch relativ gering ist“, so Sejr und seine Kollegen. Im Nordosten Grönlands hat sich das Abtauen des Eisschilds bisher “ nur“ um 17 Prozent beschleunigt, während im Süden bereits 48 Prozent mehr Eis schmilzt.
In die Labradorsee geschwemmt
Das Besorgniserregende daran: „Jüngste Modellstudien haben gezeigt, dass das Schmelzwasser aus Ostgrönland in die Labradorsee transportiert wird“, erklären die Forscher. Damit gelangt dieses „süßere“ Meerwasser bis an die Südspitze Grönlands und in den Nordatlantik. „Damit könnte die von uns beobachtete Versüßung auch Auswirkungen auf die nordatlantische meridionale Umwälzströmung haben“, sagen Sejr und seine Kollegen.
Die neuen Ergebnisse bestätigen damit frühere Prognosen, nach denen die Gefahr einer Abschwächung des Nordatlantikstroms wächst. Selbst wenn ein großer Teil des grönländischen Schmelzwassers entlang der nordamerikanischen Küste nach Süden abfließt, könnte bald immer noch genügend Süßwasser im Nordatlantik bleiben, um die Umwälzpumpe zu bremsen.
Unmittelbare Folgen könnte die Versüßung der Meeresgebiete rund um Grönland aber auch auf das Algenwachstum und den Fischreichtum dieser Gewässer haben. Denn die salzarme Oberflächenschicht verhindert, dass nährstoffreiches Tiefenwasser aufsteigt – und nimmt den Meeresorganismen damit ihre Nahrung. (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-10610-9)
(Aarhus University, 17.10.2017 – NPO)