Der Jakobshavn Isbrae an der Westküste Grönlands ist einer der schnellsten und produktivsten Gletscher der Welt. Jährlich erzeugt er Eisberge im Gesamtvolumen von etwa 35 Kubikkilometern; der prominenteste von ihnen soll 1912 die „Titanic“ gerammt haben. Vier Forscher der TU Dresden brechen jetzt zu einer neuen Expedition auf, die die räumlich-zeitlichen Bewegungsmuster des Gletschers mittels photogrammetrischer Messungen vor Ort genauer bestimmen soll.
Neuere Indizien weisen darauf hin, dass der Rückzug der etwa zehn Kilometer breiten Eisfront vorläufig stagniert, nachdem der Gletscher in den letzten drei Jahren sehr stark geschrumpft ist. Dafür wollen die Wissenschaftler jetzt Beweise sammeln. Prof. Hans-Gerd Maas, Direktor des Instituts für Photogrammetrie und Fernerkundung an der TU Dresden, und Prof. Reinhard Dietrich, Professor für Theoretische und Physikalische Geodäsie und außerdem Vorsitzender der Deutschen Kommission für das Internationale Polarjahr, werden dafür gemeinsam mit zwei Doktoranden mehrere Wochen lang die Bewegung des Eises mit hochauflösenden Digitalkameras festhalten.
Messung mit 4.000 Einzelpunkten
Einfach ist die Geschwindigkeitsmessung dabei nicht. Da der riesige Gletscher, der seit 2004 zum UNESCO Weltnaturerbe gehört, selbst unbegehbar ist, also auch keine Messpunkte auf markanten Punkten angebracht werden können, müssen Hans-Gerd Maas und seine Kollegen die Fließbewegungen des Gletschers vom Rand über photogrammetrische Aufnahmen und ergänzende geodätische Messungen analysieren. Die photogrammetrische Auswertung der Bilder anhand von 4.000 zentimetergenau verfolgten Einzelpunkten auf der Gletscheroberfläche, die eine Digitalkamera mit einem Sensorformat von 39 Megapixeln jede Viertelstunde aufnimmt, werden dabei durch die extrem zerklüftete Topographie der Gletscheroberfläche und den Schattenwurf der Eiswände erschwert.
Tag für Tag wandern so gigantische Mengen Eises knackend und grummelnd an der Kamera vorbei, die auf einer seitlichen Anhöhe des Gletscherfjordes in etwa ein bis zwei Kilometern Entfernung zum Eis positioniert ist, bis sie mit leisem Krachen ins Meer abbrechen und davon treiben. Mit den Messungen ihrer ersten Expedition im Jahr 2004 konnten die Dresdner Forscher zum ersten Mal eine senkrechte Hubbewegung der Gletscherzunge im Gezeitentakt um etwa zwei Meter nachweisen. Offensichtlich schwamm der vordere Teil des Gletschers auf dem Fjord auf.