Umwelt

Größe des pazifischen Müllstrudels übertrieben?

Ausdehnung, Dichte und Zunahmerate des „Great Pacific Ocean Garbage Patch“ geringer als vielfach angegeben

Der Nordpazifische Subtropische Strömungswirbel - in ihm liegt der größte Müllstrudel © NOAA

In den großen Strömungswirbeln der Ozeane sammelt sich immer mehr Plastikmüll. Aber wie viel ist es? Zumindest der große Nordpazifische Müllstrudel ist offenbar deutlich kleiner als teilweise angegeben, wie amerikanische Meeresforscher jetzt konstatieren. Nicht nur Fläche und Dichte wurden meist übertrieben, auch die vermeintlich anhaltend exponentielle Zunahme stimmt seit den 1980er Jahren nicht mehr. Dennoch bleibt der Plastikmüll ein Besorgnis erregendes ökologisches Problem, so die Forscher.

Immer mehr Plastikmüll sammelt sich in den Ozeanen der Erde und gefährdet die Meeresumwelt. Doch wie groß der größte Müllstrudel der Meere, der „Great Pacific Ocean Garbage Patch“ tatsächlich ist, darüber gehen die Angaben weit auseinander. Einige Aktivisten und auch Forscher werden zitiert, die von einer Fläche der vierfachen Größe Deutschlands (oder der zweifachen Größe des US-Bundesstaats Texas) ausgehen. Nach Angaben des Ozeanographen Charles J. Moore sollen im Zentrum des Müllstrudels sogar bis zu 46 Kilogramm Plastik auf ein Kilogramm Plankton kommen.

Doch diese Werte sind nach Ansicht von Angelicque White, Meeresforscherin an der Oregon State Universität, stark übertrieben. Die Forscherin hat mehrfach an Expeditionen zur Ermittlung der Plastikmüllmenge teilgenommen und die veröffentliche Literatur dazu durchmustert. „Es gibt keine Zweifel daran, dass die Menge des Plastiks in den Weltmeeren Besorgnis erregend ist, aber diese Art von Übertreibung unterminiert die Glaubwürdigkeit der Wissenschaftler“, erklärt White. „Wir haben Daten, die es uns erlauben, vernünftige Schätzungen abzugeben, wir müssen nicht übertreiben.“

Fläche und Dichte teils extrem übertrieben

So finden sich in der Fachliteratur keine Daten zu einer Fläche entsprechend der doppelten Größe Texas, stattdessen liegen die höchsten publizierten Werte nur bei einem Bruchteil, genauer nur einem Prozent der Größe des US-Bundesstaats. Diese eklatanten Unterschiede stammen nach Ansicht der Forscherin vermutlich daher, dass nicht die tatsächliche Fläche des Plastikstrudels berücksichtigt wurde, sondern stattdessen einfach die gesamte Größe des Nordpazifischen Subtropischen Strömungswirbels.

Auch die Plastikdichte wird nach Ansicht von White meist stark übertrieben dargestellt: „Die Menge des Plastiks in den Meeren ist keineswegs trivial. Angesichts der beobachteten Konzentration von Plastik im Nordpazifik ist es aber einfach falsch zu sagen, dass es dort mehr Plastik als Plankton gibt oder dass wir einen exponentiellen Anstieg des Plastiks beobachten.“ Daher sei es auch ein weit verbreiteter Irrtum zu glauben, man könne die Plastikstrudel aus der Luft oder vom All aus als eine Art schwimmendes Kunststofffloß sehen. Tatsächlich aber ist der größte Teil nicht einmal von Deck eines Schiffes aus sichtbar.

Aus dem Meer gefischte Plastikteile © Oregon State University

Kein Größenzuwachs mehr seit den 1980er Jahren

Während in den Medien zudem häufig behauptet wird, dass sich die Plastikmüllmenge seit den 1950er Jahren sogar jede Dekade verzehnfacht, zeigen jüngste Untersuchungen von Forschern der Woods Hole Oceanographic Institution, dass sich die Müllmenge zumindest im Atlantik seit Mitte der 1980er Jahre nicht mehr signifikant erhöht hat. „Sind wir heute besser darin, das Plastik vom Ozean fernzuhalten? Sinkt mehr Plastik in tiefere Wasserschichten ab? Oder wird es einfach heute effizienter abgebaut? Wir wissen es nicht. Aber die deuten einfach nicht mehr auf eine Zunahme der Fläche hin“, so White.

Entfernung teuer und schädlich

Doch nach diesen relativ guten Nachrichten folgt auch gleich eine schlechte: Denn eine Bekämpfung des ozeanischen Plastikmülls durch technische Verfahren könnte weitaus schädlicher und kostspieliger sein als bisher angenommen. Berechnungen zeigen, dass für die Entfernung der Kunststoffteile 250 Mal so viel Energie aufgewendet werden müsste wie es der Masse des Plastiks entspricht.

Da zudem eine schonende Trennung von Meerwasser und Kunststoffpartikeln nur sehr schwer möglich ist, könnten Plankton und andere kleinere Meerestiere durch die Maßnahmen stärker geschädigt werden als durch den Müll selbst. „Doch diese kleinen Organismen sind der Herzschlag des Ozeans“, so White. „Sie bilden die Basis für gesunde Nahrungsketten im Meer und sind immens zahlreicher und wichtiger als der Plastikmüll.“

„Wenn es eine Botschaft des Ganzen gibt, dann die, dass es zwar gute Nachrichten sind, dass die Müllstrudel nicht so umfangreich sind wie postuliert, dass wir aber alle Anstrengungen unternehmen müssen, um den weiteren Zustrom von Plastik in die Meere zu verhindern, weil seine Entfernung in jeder Hinsicht überproportional teuer wäre“, erklärt White.

(Oregon State University, 06.01.2011 – NPO)

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