Geowissen

Größte Eruption der Ägäis entdeckt

Unterseeischer Vulkanausbruch vor 520.000 Jahren war zehnmal größer als Hunga-Tonga-Eruption

Santorini
Die Idylle trügt: Vor 520.000 Jahren erschütterte eine gewaltige Unterwasser-Eruption das Gebiet rund um die Insel Santorini. Es war eine der stärksten je in der Ägäis nachgewiesenen Eruptionen. © Thomas Ronge/ IODP

Feurige Katastrophe: Vor 520.000 Jahren gab es einen gewaltigen Vulkanausbruch am Grund des östlichen Mittelmeers – sechsmal heftiger als die berühmte Thera-Eruption der Bronzezeit und zehnmal größer als der Ausbruch des Tonga-Unterseevulkans im Jahr 2022. Wie Bohrkernanalysen enthüllen, brach damals ein Unterseevulkan des Santorini-Vulkankomplexes aus und hinterließ bis zu 150 Meter dicke Bimsstein-Ablagerungen am Meeresgrund. Es war eine der stärksten Eruptionen dieser Region, wie die Forschenden berichten.

Die griechische Insel Santorini steht auf feurigem Grund: Unter ihr liegt das Christiana-Santorini-Kolumbo-Vulkanfeld, das mehr als 20 größtenteils unterseeische Vulkane speist und schon oft explosive Eruptionen ausgelöst hat. Allein rund um Santorini hat es in den letzten 360.000 Jahren mindestens zwölf plinianische, von explosiven Asche- und Lavaeruptionen geprägte Ausbrüche gegeben. Die letzte große und wohl berühmteste Eruption war der Thera-Ausbruch, der um 1600 vor Christus den gesamten östlichen Mittelmeerraum mit Asche und Tsunamis überzog – und das Reich der Minoer untergehen ließ.

Santorini-Umfeld
Das Christiana-Santorini-Kolumbo-Vulkanfeld liegt im nahen Umfeld der griechischen Insel Santorini. Rote und gelbe Punkte markieren die Bohrungen. © Druitt et al./ Communications Earth & Environment, CC-by 4.0

Bohrkerne enthüllen mächtige Bimssteinschicht

Doch jetzt haben Geologen die Spuren eines noch sehr viel stärkeren Vulkanausbruchs im Santorini-Vulkanfeld entdeckt. Indizien dafür lieferten Gesteinsbohrkerne, die das Team um Tim Druitt von der Universität Clermont-Auvergne im Rahmen des internationalen Tiefbohrprogramms IODP gewonnen hat. Die Forschenden führten dafür an zwölf Stellen des Christiana-Santorini-Kolumbo-Vulkanfelds Bohrungen bis in 900 Meter Tiefe durch. Die Bohrkerne enthielten dadurch alle vulkanischen Ablagerungen der letzten rund 23 Millionen Jahre.

Es zeigte sich Überraschendes: In den Bohrkernen entdeckten die Forschenden eine bis zu 150 Meter dicke Schicht aus Bimsstein und anderem Vulkanmaterial – Zeugnis eines zuvor unbekannten, heftigen Vulkanausbruchs. Dieser ereignete sich vor rund 520.000 Jahren und muss von einem damals unter Wasser liegenden Vulkan ausgegangen sein, wie die Forschenden ermittelten. Wo genau dieser Unterseevulkan jedoch lag – ob unter Santorini oder zwischen Santorini und Christiani – ist noch unklar.

Mehr Vulkanmaterial als beim Tonga-Vulkan

Klar ist dagegen, wie gewaltig die Archaeos getaufte Eruption damals gewesen sein muss: „Die neu entdeckte Tuffstein-Ablagerung hat ein Volumen von mehr als 90 Kubikkilometern und eine Mächtigkeit von bis zu 150 Metern“, berichtet Koautor Steffen Kutterolf vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Dies ist sechsmal größer als die Ablagerungen der pyroklastischen Ströme der Minoischen Eruption und zehnmal größer als die des Vulkanausbruchs Hunga Tonga-Hunga Ha’apai vom 22. Januar 2022.“

Um eine so große Menge an vulkanischem Material auszuschleudern, muss der Archaeos-Ausbruch enorm heftig gewesen sein. Allein der poröse Tuff hatte ein Volumen von mindestens 89 Kubikkilometern, wahrscheinlich noch deutlich mehr, wie Druitt und seine Kollegen betonen. Insgesamt erstrecken sich die größtenteils unterseeischen Vulkanablagerungen über eine Fläche von gut 3.000 Quadratkilometern, wie die Geologen ermittelten. Auch auf den angrenzenden Inseln Santorini, Christiani und Anafi entdeckten sie einige meterdicke Bimssteinablagerungen.

Vulkanausbruch
So könnte die Eruption des Archaeos-Unterseevulkans abgelaufen sein. © Druitt et al./ Communications Earth & Environment, CC-by 4.0

Magma, Asche und pyroklastische Ströme

Wie der Archaeos-Vulkanausbruch damals abgelaufen ist, rekonstruierten Druitt und sein Team aus der Beschaffenheit der unterseeischen Ablagerungen. Demnach schoss gasreiches Magma mit hohem Tempo aus dem unterseeischen Vulkanschlot und mischte sich mit dem teilweise verdampfenden Wasser. Es entstand ein heißes Gemisch aus Asche und porösen Bimssteinstückchen, das als pyroklastischer Strom die Vulkanflanken hinunterraste. Diese heißen, zunehmend mit Wasser gesättigten Ströme flossen bis zu 70 Kilometer weit in die umgebenden Meeresbecken.

Ein Teil der Eruption durchbrach jedoch die Wasseroberfläche und erzeugte dort eine Aschenwolke und pyroklastische Ströme. Diese transportierten Asche und Bimsstein bis auf die umliegenden Inseln. Nach Angaben des Forschungsteams übertrifft das Ausmaß dieses Ausbruchs das des Kos-Plateaus vor rund 161.000 Jahren – dieser galt bisher als die stärkste bekannte Eruption im südägäischen Vulkanbogen.

Neue Sicht auf ägäischen Vulkanismus

„Unsere neuen Funde verändern unsere bisherigen Vorstellungen zum südägäischen Vulkanbogen: Sie enthüllen eine größere Kapazität für hochgradig gefährliche Untersee-Ausbrüche als zuvor angenommen“, schreiben Druitt und seine Kollegen. „Sie deuten auf die Existenz einer großen, begrabenen submarinen Caldera hin, auf der das modernen Vulkanfeld heute liegt.“ Zudem verlängert der Archaeos-Ausbruch die eruptive Geschichte des Christiana-Santorini-Kolumbo-Vulkanfeld weiter zurück in die Vergangenheit.

Trotz dieser explosiven Vorgeschichte sei es aber sehr unwahrscheinlich, dass das Vulkanfeld in naher Zukunft erneut eine so große Eruption erleben wird. „Die Vorgeschichte zu kennen, ist aber auch für Vorhersagen der Zukunft ein unentbehrlicher Baustein“, sagt Kutterolf. (Communications Earth & Environment, 2024; doi: 10.1038/s43247-023-01171-z)

Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

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