Archäologen haben eine von Menschenhand geschaffene, riesige Höhle im Jordantal in Israel entdeckt. Das aus dem Jahr 1 nach Christus stammende Gewölbe wurde vermutlich während der römischen und byzantinischen Ära als unterirdischer Steinbruch genutzt. Säulen und Gravuren in den Wänden deuten jedoch auch auf eine Nutzung als frühes Kloster hin.
Seit 1978 führen Archäologen der Universität von Haifa Ausgrabungen im Tal des Jordan durch. Jetzt machten sie rund vier Kilometer nördlich der Stadt Jericho einen überraschenden Fund. Sie stießen auf eine Höhle, die nicht natürlichen Ursprungs, sondern menschengemacht ist. Um diese ranken sich bei der örtlichen Bevölkerung offenbar einige seltsame Geschichten.
Größte Höhle Israels
„Als wir am Höhleneingang ankamen, näherten sich zwei Beduinen und warnten uns davor, sie zu betreten, weil sie verhext sei und von Wölfen und Hyänen bewohnt“, erklärt Adam Zertal, Professor für Archäologie an der Universität von Haifa und Leiter des Grabungsteams. Die Forscher ließen sich nicht abschrecken und wurden, einmal im Inneren angelangt, belohnt: Sie entdeckten ein enormes und eindrucksvolles Gewölbe von 100 Metern Länge und rund 40 Metern Breite. Die Höhlendecke ist drei Meter hoch, reichte nach Ansicht der Forscher ursprünglich aber sogar vier Meter in die Höhe. Damit ist sie die größte Höhle Israels.
Gravuren und Säulen weisen auf besondere Nutzung hin
Doch nicht nur das, überraschend war vor allem die ungewöhnliche Untergrundarchitektur mit 22 riesigen Säulen, 31 Kreuzmarkierungen, einer Gravur, die einem Tierkreiszeichen glich, römischen Buchstaben und einer Ritzzeichnung, die wie die Standarte einer römische Legion aussah. In den Säulen befanden sich Nischen, die für Öllampen genutzt worden sein könnten. Löcher in den Wänden dienten vermutlich als Anbindestellen für die Zugtiere, mit denen die schweren Steine aus dem Steinbruch gezogen wurden.
Die Gravuren sowie Keramiken, die die Forscher in der Höhle entdeckten, stammen aus der Zeit von 1 bis 600 nach Christus. „Der Hauptzweck der Höhle war ein Steinbruch, der für rund 400 bis 500 Jahre genutzt wurde“, erklärt Zertal. „Aber die Funde deuten definitiv darauf hin, dass dieser Ort auch für andere Zwecke diente, wie beispielswiese ein Koster oder ein Versteck.”
Warum ein Steinbruch unter der Erde?
Die Hauptfrage allerdings ist, warum die Menschen damals überhaupt einen Steinbruch unter der Erde anlegten? „Alle uns bekannten Steinbrüche sind über der Erde. In den Untergrund hinabzugraben erfordert extreme Anstrengungen, um beispielsweise die Brocken an die Oberfläche zu befördern“, so Zertal. „Und in diesem Fall war die Steinmenge immens. Die Frage ist – warum?“
Für Zertal liefert ein altes, aus der byzantinischen Zeit stammendes Mosaik den Schlüssel zu dieser Frage. Die so genannte Madaba-Karte. Diese älteste Karte der Region zeigt Jerusalem und das Jordantal und enthält auch einen Ort namens Galgala ungefähr an der Position relativ zu Jericho, wie die jetzt entdeckte Höhle. Daneben steht die griechische Beschriftung „Dodekaliton“ – „zwölf Steine“.
Biblisches Gilgal als Lieferant für „heilige“ Steine?
Nach Ansicht des Archäologen könnte dieses Galgala mit dem im Alten Testament der Bibel erwähnten Ort Gilgal identisch sein. Im Buch Josua wird beschrieben, dass die Israeliten nach ihrer Flucht aus Ägypten den Fluss Jordan überquerten und anschließend Rast machten. Auf Geheiß von Joshua, so die Erzählung weiter, wurden zwölf große Steine aus dem Fluss gesammelt – für jeden der zwölf Stämme Israels einer – und als Erinnerung an den Einzug ins Gelobte Land dort aufgestellt.
Möglicherweise sahen die Byzantiner in diesem Ort den Platz der „Zwölf Steine“ und legten daher hier einen unterirdischen Steinbruch an. „Während der Römerzeit war es üblich, Tempel aus Steinen zu errichten, die aus heiligen Orten stammten und daher viel wertvoller waren als normale Steine“, so der Archäologe. „Wenn unsere Annahme korrekt ist, dann lieferte die Identifikation dieses Ortes als das biblische Gilgal ihm die nötige Heiligkeit und erklärt, warum man hier einen unterirdischen Steinbruch anlegte. Noch aber ist hier mehr Forschungsarbeit nötig.“
(University of Haifa, 24.06.2009 – NPO)