Geowissen

Größte offene Verwerfung der Erde entdeckt

Forscher lösen geologisches Rätsel der weltweit tiefsten Untersee-Senke

Östlich von Indonesien liegt die tiefste Meeresenke der Erde. Wie sie entstand, haben Geoforscher erst jetzt herausgefunden. © NASA

Mysteriöse Tiefe: Seit 90 Jahren rätseln Geologen über die Entstehung der sieben Kilometer tiefen Bandasenke vor Indonesien – jetzt haben sie die Lösung gefunden. Denn wie sie entdeckten, senkte sich der Meeresgrund hier ein, als ein unterseeischer Krustenteil auseinander gerissen wurde. Die an dieser Stelle neuentdeckte tektonische Störung ist die größte freiliegende Verwerfung weltweit, wie die Forscher im Fachmagazin „Geology“ berichten.

In der Bandasee zwischen Indonesien und Australien liegt das tiefste Becken der Erde – nur einige Tiefseegräben sind tiefer. Im sogenannten Weber Deep bildet der Meeresboden eine mehr als sieben Kilometer tiefe Senke. Wie diese jedoch entstand, ist rätselhaft. „Dieser Abgrund ist seit 90 Jahren bekannt, aber bislang konnte niemand erklären, wie er so tief wurde“, erklärt Jonathan Pownall von der Australian National University.

Parallele Furchen am Meeresgrund

Auf der Suche nach einer Erklärung untersuchten Pownall und seine Kollegen den Meeresboden rund um das Weber Deep durch Beobachtungen vor Ort und Auswertungen von hochauflösenden bathymetrischen Karten. Dabei fielen ihnen etwas auf: Das Gestein am Meeresgrund der Bandasee ist von hunderten gerader, parallel verlaufender Furchen durchzogen.

Diese Riefen in der Kruste sprechen dafür, dass hier der Untergrund von gewaltigen Kräften auseinandergezogen worden sein muss. Wie die Forscher erklären, muss ein Krustenstück größer als Belgien entlang einer flachen, schräg verlaufenden Verwerfung zerrissen worden sein. Diese neu entdeckte tektonische Störung bildete sich als Folge der Subduktion entlang der indonesischen Inselbögen.

Freiliegend auf 120 Kilometern Länge

Das Besondere daran: Diese Verwerfung, von den Forschern „Banda Detachment“ getauft, verläuft auf ihrer gesamten Länge offen – an der Oberfläche des Meeresgrunds und der über den Meeresspiegel ragenden Inseln. „Das Banda Detachment liegt über den größten Teil ihrer 120 Kilometer langen Abkippung und der 450 Kilometer Breite frei“, berichtet Pownall.

Eine Subduktion am Inselbogen führte dazu, dass die ozeanische Kruste unter der Bandasee ausdünnte und riss. © Pownall et al./Australian National University

Damit könnte diese Untersee-Verwerfung die größte bekannte freiliegende Verwerfungskante sein, wie die Forscher berichten. Teilweise sind die Ränder dieser Störung sogar in Form von Felsen über dem Wasserspiegel zu sehen: „Ich war verblüfft, diese bisher nur hypothetische Rutschfläche zu sehen – nicht bloß auf einem Computerbildschirm, sondern über die Wellen aufragend“, sagt Pownall.

Bis zum Mantelgestein ausgedünnt

Die neue entdeckte Banda Detachment erklärt auch die ungewöhnliche Tiefe des Weber Deeps: Durch die enormen Dehnungskräfte dünnte sich dort die Erdkruste auf einer Länge von 120 aus und senkte sich gleichzeitig ab. Die Ausdünnung war so stark, dass an einigen Stellen sogar Mantelmaterial an die Oberfläche trat.

„Das demonstriert die enormen Dehnungskräfte, die die ozeanische Kruste an einigen Stellen bis auf null ausdünnten“, erklärt Pownall. Über eine Fläche von 60.000 Quadratkilometer ist der Meeresboden an dieser Stelle ausgedünnt und senkte sich dadurch stark ab. „Das erklärt, warum eine der tiefsten Meeresgebiete der Erde so tief wurde“, sagt Pownall.

Die Entdeckung der neuen Verwerfung ist jedoch auch für die Bewohner der Region wichtig. Denn eine solche Störung stellt ein potenzielles Erdbebenrisiko dar. „In einem Gebiet mit ohnehin sehr hohem Tsunamirisiko ist das Wissen um große Verwerfungen wie dem Banda Detachment entscheidend“, erklärt Pownall. „Wenn sie abrutscht, kann sie schwere Erdbeben verursachen.“ (Geology, 2016; doi: 10.1130/G38051.1)

(Australian National University, 29.11.2016 – NPO)

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