Eisschwund: Das größte Schelfeis der Erde schmilzt stärker als bisher gedacht. Im antarktischen Ross-Schelfeis liegen die Abtauraten nahe der Eisfront gut 20-fach höher als es Satellitenmessungen zuvor nahelegten, wie nun eine Studie enthüllt. Ursache dafür ist nicht warmes Tiefenwasser, sondern ein Einstrom von sonnenerwärmtem Oberflächenwasser aus einem eisfreien Meeresgebiet direkt vor dem Schelfeis, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.
Die großen Schelfeisflächen sind wichtige Bremser für die großen Eisströme der Antarktis. Wie ein Riegel liegen sie in den Buchten des eisigen Kontinents und verlangsamen so den Fluss der Gletscher ins Meer. Doch diese eisigen Bremsen schwinden. Vom Larsen-C-Schelfeis brach 2018 einer der größten jemals beobachteten Eisberge ab und beim zweitgrößten Schelfeis der Antarktis, dem Filchner-Ronne-Schelfeis, hat warmes Tiefenwasser bereits gewaltige Kanäle in die Eisunterseite geschmolzen.
Blick unter das größte Schelfeis der Erde
Als weitgehend stabil galt dagegen bisher das Ross-Eisschelf – mit gut 500.000 Quadratkilometern Fläche macht es 32 Prozent des gesamten antarktischen Schelfeises aus und ist das größte Schelfeis der Erde. „Satellitenaufnahmen deuten auf relativ geringe mittlere Abtautraten von 0,07 bis 0,11 Meter pro Jahr für das gesamte Schelfeis hin“, berichten Craig Stewart vom National Institute of Water and Atmospheric Research in Neuseeland und sein Team.
Doch diese Daten zeigen nur einen Teil der Wahrheit, wie nun neue Messungen enthüllen. Stewart und sein Team hatten für ihre Studie den Nordwesten des Ross-Schelfeises nahe der Ross-Insel ein Jahr lang mithilfe von Radarschlitten und vier Jahre lang mit unter dem Eis am Meeresgrund befestigten Temperatursensoren und Radarinstrumenten überwacht.