Etwa die Hälfte der Wärme, die von der Erde aus ins All ausstrahlt, stammt aus radioaktivem Zerfall im Erdinneren. Das hat jetzt ein internationales Forscherteam am KamLAND-Neutrinodetektor in Japan durch Messungen ermittelt. Sie liefern die bisher genauesten Daten darüber, wie viel der rund 44 Terawatt Gesamt-Erdwärme aus Zerfallsprozessen stammt. Der Rest der Erdwärme müsse aus dem Hitzevorrat kommen, den die Erde noch aus der Zeit der Planetenbildung in sich trägt, berichten die Forscher im Fachblatt „Nature Geoscience“. Ihre Messungen bestätigen nun sowohl theoretische Modellrechnungen als auch die Daten anderer Forschergruppen.
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Die Kruste der Erde ist kühl und fest, in ihrem Kern jedoch herrschen Temperaturen von mehr als 6.000 Grad Celsius. Wie viel von dieser Hitze noch aus der heißen Entstehungszeit des Planeten stammt, ist bisher unklar. Denn auch die im Erdinneren vorhandenen radioaktiven Elemente geben bei ihrem Zerfall ständig Wärme ab. Ihre genaue Menge und Verteilung sind ebenfalls nicht präzise bekannt.
„Quantitative Information über die radioaktiven, Hitze produzierenden Elemente ist aber essenziell, um das Energiebudget der Erde zu ermitteln“, erklären Forscher der internationalen KamLAND-Kollaboration. Über die beim Zerfall von Uran und Thorium abgegebenen Anti-Neutrinos gelang es ihnen nun, die radioaktive Wärmeerzeugung genauer zu beziffern. Als „Geoneutrinos“ lassen sie sich in den gewaltigen unterirdischen Flüssigkeitsbecken von Neutrinodetektoren nachweisen.
Lichtblitze im Ölbecken
Die Wissenschaftler um Itaru Shimizu von der Tohoku University im japanischen Miyagi ermittelten die Anti-Neutrino-Rate mithilfe des KamLAND-Neutrinodetektors nahe der japanischen Stadt Kamioka. In einer alten Mine liegend, besteht er primär aus einem runden, mit einem speziellen Mineralöl gefüllten Gefäß von 13 Metern Durchmesser. Wenn darin Anti-Neutrinos mit den Protonen der Flüssigkeit kollidieren, erzeugt dies einen Lichtblitz, der von den in den Wänden installierten Photodetektoren aufgefangen wird. Für ihre Studie sammelten die Forscher Daten von 2.135 Messtagen.
„Wir haben 841 Kandidaten-Ereignisse beobachtet, die vorhergesagte Anzahl durch Atomreaktoren und andere Hintergrundstörungen liegt bei 729. Den Überschuss von rund 111 Ereignissen werten wir daher als Geoneutrino-Signal“, schreiben die Forscher in ihrem Artikel. Dieser Wert stimme gut mit Modellrechnungen überein, die auf 106 Ereignisse kommen. Auch die Messungen des Borexino-Neutrinodetektors im italienischen Gran Sasso seien nahezu identisch.
Aus diesen Werten ergibt sich der jeweilige Anteil von Uran-238 und Thorium an der Erdwärme: „Wir haben festgestellt, dass der Zerfall von Uran-238 und Thorium-232 zusammen rund 20 Terawatt zum Wärmefluss der Erde beiträgt“, so die Forscher. „Wir erwarten, dass weitere Geoneutrinodetektoren an verschiedenen Standorten unser Wissen über die radioaktiv erzeugte Wärme in der Erde signifikant verbessern werden.“ Vor allem größere Detektoren fernab von Atomreaktoren könnten die verbleibenden Unsicherheiten reduzieren. (Nature Geoscience,2011; (Nature Geoscience, 2011; DOI: 10.1038/ngeo1205)
(Nature Geoscience, 18.07.2011 – NPO)