Schmiermittel der Erdplatten: Forscher könnten eine bisher übersehene Triebkraft der Plattentektonik identifiziert haben – die Erosion. Denn das von ihr erzeugte Sediment wirkt offenbar als Schmiermittel für die Kontinentaldrift, wie nun ein geophysikalisches Modell nahelegt. Demnach beschleunigte sich die Plattentektonik in der Erdgeschichte immer dann, wenn starke Erosion viel Sediment in die Plattengrenzen spülte, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.
Die Erde ist der einzige Planet im Sonnensystem mit einer aktiven Plattentektonik. Warum nur hier vor rund drei Milliarden Jahren die Drift der Kontinente begann, ist unbekannt. Einige Forscher halten Mantelplumes für den Auslöser, andere sich ansammelnde Schäden in der Urkruste. Hauptmotor der Plattenbewegung aber sind die Konvektionsströmungen im Erdmantel. Gemeinsam mit dem Zug der in den Subduktionszonen absinkenden Erdplatten halten diese Strömungen die Drift in Gang – so die vorherrschende Lehrmeinung.
Welche Rolle spielt das Sediment?
Doch es könnte noch einen weiteren Motor der Plattentektonik geben – und dieser liegt nicht im Erdmantel, sondern nahe der Erdoberfläche. Denn die an den Plattenrändern angesammelten Sedimente spielen möglicherweise eine entscheidende Rolle für das Tempo und die Stabilität der Plattentektonik, wie nun Stephan Sobolev vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) und Michael Brown von der University of Maryland berichten.
Den Anstoß für diese Hypothese brachte eine Beobachtung an Subduktionszonen: Je mehr Sediment die tiefen Gräben entlang dieser Plattengrenzen enthalten, desto reibungsloser und schneller scheint dort die Plattenbewegung zu verlaufen. „Wir schließen daraus, dass die kontinentalen Sedimente in den Subduktionsgräben als Schmiermittel wirken und dass die Präsenz dieser Sedimente sogar eine notwendige Voraussetzung für eine stabile Plattentektonik sein könnte“, sagen die Forscher.
Drei Schübe der Plattentektonik
Um das zu überprüfen, warfen die Wissenschaftler einen Blick zurück in die Erdgeschichte. Mithilfe geologischer Daten und eines geophysikalischen Modells rekonstruierten sie das Tempo der Plattentektonik in den letzten drei Milliarden Jahren. Diesen Ablauf verglichen sie dann mit Phasen, in denen eine verstärkte Erosion vermehrt Sedimente erzeugt hat. Wenn ihre Hypothese stimmt, müsste in solchen Phasen auch die Kontinentaldrift stärker gewesen sein.
Und tatsächlich: Im Laufe der Erdgeschichte hat es drei Zeitperioden gegeben, in denen die Plattentektonik besonders schnell und intensiv war – und alle drei folgten auf Phasen mit einer besonders starken Erosion. „In jeder dieser Phasen haben wir einen Zusammenhang mit der relativen Menge der glazialen Sedimente gefunden“, sagt Brown.
Vereisungen und eine „langweilige Milliarde“
Den ersten großen Schub bekam die Plattentektonik 2,7 bis 2,8 Milliarden Jahren, kurz nach ihrem Beginn. „Diese erste Periode folgt einer umfangreichen Vergletscherung und dem Auftauchen der ersten Kontinente aus dem Meer“, berichten Sobolev und Brown. Die Erosion der noch jungen Landmassen produzierte große Mengen an Sedimenten, die ins Urmeer und in die Subduktionszonen geschwemmt wurden.
Die zweite Phase ereignete sich vor 2,2 bis 1,8 Milliarden Jahren – wieder nach einer weltweiten Vergletscherung mit entsprechend intensiver Erosion. „Diese Periode hochaktiver Subduktion fand ihren Höhepunkt in der Bildung von Columbia – dem ersten Superkontinent unseres Planeten“, sagen Sobolev und Brown. Danach allerdings herrschte eine Milliarde Jahre lang etwas, das die beiden Forscher als „Boring Billion“ bezeichnen – die langweilige Milliarde. Denn in dieser Zeit stand die weltweite Plattentektonik fast still – vermutlich weil auch erosionsfördernde Eiszeiten fehlten.
Der dritte große Schub folgte nach dem „Schneeball Erde„, der globalen Eiszeit, die vor rund 700 Millionen Jahren den gesamten Planeten mit Frost überzog. Als die Eismassen wieder tauten, schwemmte die Erosion so viel Sedimente in die Ozeane, dass ganze Landschaften eingeebnet wurden. Das wiederum sorgte für einen weiteren Temposchub der Plattentektonik, wie die Forscher berichten.
Schmiermittel der Kontinentdrift
Nach Ansicht der beiden Geowissenschaftler sprechen diese Zusammenhänge dafür, dass für die Plattentektonik nicht nur Vorgänge im Erdinneren entscheidend sind, sondern auch die Erosion und Sedimentbildung. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die tektonischen Platten dieses Schmiermittel brauchen, um in Bewegung bleiben zu können“, sagt Brown. Das Sediment verringert die Reibung an den Plattengrenzen und hält so die Drift in Gang.
Ob die Forscher mit dieser ziemlich revolutionären Hypothese richtig liegen, müssen nun unter anderem weitere geochemische Studien und Erdsystemmodelle zeigen. „Das wird die Entwicklung neuartiger Modelle erfordern, die Tiefe-Erde- und Oberflächenprozesse eng miteinander verbinden“, sagt Sobolev. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1258-4)
Quelle: University of Maryland, Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ