Tektonik der etwas anderen Art: Obwohl die Venus keine Plattentektonik hat, könnte es auf unserem Nachbarplaneten eine echte Subduktion geben – entgegen bisheriger Annahme. Hinweise darauf liefern nun ein Laborexperiment und Messdaten von Raumsonden. Demnach könnten an den Rändern großer Magma-Plumes Verwerfungen entstehen, an denen Teile der Venuskruste unter die Oberfläche gedrückt werden, berichten Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
In vieler Hinsicht gilt die Venus als „Schwesterplanet“ der Erde: Sie ist etwa gleich groß und ähnlich aufgebaut, besitzt wahrscheinlich aktive Vulkane und könnte sogar zwei Milliarden Jahre lang ähnlich kühl und lebensfreundlich gewesen sein wie unser Heimatplanet.
Doch trotz aller Parallelen hat unsere Erde eine entscheidende Besonderheit: Sie ist der einzige Planet im Sonnensystem, auf dem es eine aktive Plattentektonik gibt. Die durch Konvektionsströme im Erdmantel und die Subduktion von Kruste an den Plattengrenzen angetriebene Drift der Erdplatten gibt es weder auf der Venus, noch auf Mars oder Merkur.
Subduktion ohne Plattentektonik?
Umso verblüffender sind einige auf der Venus entdeckte Landschaftsformen, die den typischen Formationen irdischer Subduktionszonen erstaunlich ähneln. An diesen Stellen scheinen Teile der Venuskruste unter andere Krustenbereiche abzutauchen – so wie an den ozeanischen Plattengrenzen auf der Erde.
Die meisten dieser Venus-Subduktionszonen finden sich am Rand der sogenannte Coronae – riesigen kreisförmigen Strukturen, die auf den ersten Blick großen Einschlagskratern ähneln. Bisher galten diese Ringformationen als rein vulkanischen Ursprungs: Gängiger Vorstellung nach stieg hier heißes Magma auf und drückte die Venuskruste nach oben. Als sie wieder abkühlte, bildeten sich die ringförmigen Krater und Risse – von Tektonik oder gar Subduktion keine Spur.
Venuskruste im Tank
Dem jedoch widersprechen nun Anne Davaille von der Universität Paris-Süd und ihre Kollegen. In einem Experiment liefern sie Belege dafür, dass es auch auf der Venus eine echte Subduktion geben könnte. Für ihre Studie bildeten sie die Venusbedingungen in einem mit Flüssigkeit gefüllten Tank nach. Die magmaähnliche Flüssigkeit wurde dabei von oben getrocknet und von unten geheizt.
„Dadurch entwickelte sich eine Art ‚Lithosphäre‘ und es entstanden mehrere Zonen heißer, von unten aufsteigender Plumes unter dieser Kruste“, berichten die Forscher. Damit bildete das Experiment genau die geologischen Prozesse nach, die einst auf der Venus stattfanden – und dies vielleicht sogar heute noch tun. Die Aufströme im Tank entsprachen dabei den Mantelplumes, die gängiger Vorstellung nach die Coronoae gebildet haben sollen.
Im Verlauf des Experiments zeigte sich: Dort, wo ein Plume aufstieg, wölbte sich die nachgebildete Venuskruste zunächst zu einem Dom auf. „Dann entwickeln sich radiäre Risse und Plume-Material quillt durch diese Risse nach oben und außen, weil es leichter ist als die feste Haut“, berichten Davaille und ihre Kollegen.
Untergetauchte Krustenteile
Doch dann passierte Überraschendes: Nach gängiger Auffassung müsste der aufgewölbte Krustendom einfach in sich zusammenfallen und so die ringförmige Corona hinterlassen. „Stattdessen entwickelte die Kruste Risse, die entlang des Außenrings mehrere lokalisierte Plattenteile abtrennte – ähnlich wie ein Papier einreißt und ausfranst, wenn man es eindrückt“, so die Forscher. Diese Plattenteile sanken am Rand des aufsteigenden Plumes in die Tiefe – sie wurden vom frischen Magma subduziert.
Nach Ansicht der Wissenschaftler demonstriert ihr Experiment, dass es auf der Venus auch ohne Plattentektonik eine echte Subduktion geben könnte – und vielleicht sogar noch heute gibt. Ähnlich wie an den Plattengrenzen der Erde werden an den Rändern der Coronae Plattenteile in die Tiefe gedrückt und dort langsam wieder aufgeschmolzen. Auf der Venus reicht diese Subduktion aber nicht aus, um die umgebende Kruste in Bewegung zu versetzen – die Subduktion bleibt daher lokal.
Gute Übereinstimmung mit Messdaten
Tatsächlich liefern Messdaten von Raumsonden gleich mehrere Indizien für die Präsenz solcher untergetauchten Plattenteile auf der Venus, wie die Forscher erklären. So registrierten Schwerefeldmessungen zentral unter den beiden Coronae Artemis und Quetzalpelatl eine leicht verringerte Gravitation. Entlang der Ränder jedoch war die Schwerkraft erhöht – wie es für eine durch Subduktion doppellagige Kruste typisch wäre.
Auch die schmalen Gräben, die von den Rändern der Coronae über hunderte Kilometer weit nach außen reichen, passen ins Bild einer Subduktion: „Wir interpretieren diese Gräben als Ergebnis der Dehnung, die durch die Bewegung der untertauchenden Platten verursacht wird“, so Davaille und ihre Kollegen.
Analog für die frühe Erde?
Sollte sich die Existenz einer Subduktion auf der Venus bestätigen, wäre dies in gleich zweifacher Hinsicht spannend: Zum einen könnte es erklären, warum Teile der Venuskruste uralt und scheinbar unverändert sind, andere dagegen sehr jung. Zum anderen aber würde dies die Theorie bestätigen, dass auch auf der Erde die Plattentektonik einst an solchen lokalen Mantelplumes begann.
„Die heiße Lithosphäre der Venus könnte ein Analog für die frühe Erde sein“, erklären die Forscher. „Ähnlich wie auf der Venus wären damals die Bedingungen günstig für eine solche Plume-induzierte Subduktion gewesen.“ Während jedoch auf der jungen Erde Wasser als Schmiermittel wirkte und die Drift der Kontinente in Gang brachte, blieb die trockene Kruste der Venus statisch. (Nature Geoscience, 2017; doi: 10.1038/ngeo2928)
(Nature, 12.04.2017 – NPO)