Der Strom aus heißem Gestein, Mantelplume genannt, der aus dem tiefsten Erdmantel unter den Vulkanen Hawaiis aufsteigt, besteht aus zwei unterschiedlich zusammengesetzten Hälften. Das haben Geochemiker am Max-Planck-Institut für Chemie anhand von Bleiisotopenmessungen herausgefunden. Sie konnten damit die konventionelle Theorie widerlegen, nach der solche Gesteinssäulen eine baumring-ähnliche, konzentrische Struktur haben, weil sie auf ihrem Weg nach oben kühleres Material aus dem unteren und oberen Erdmantel „mitnehmen“.
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Seit mehreren Jahren bohren die Wissenschaftler auf der Insel Hawaii immer tiefer in den Vulkan Mauna Kea, um dessen inneren Aufbau und damit auch den Aufbau des Mantelplumes zu studieren, der diesen und andere Hawaii-Vulkane hervorbringt. Zurzeit ist das Bohrloch in einer Tiefe von gut drei Kilometern angelangt. Dort unten sind die Laven etwa 500.000 Jahre alt. Der Vulkan befand sich damals nahe dem Zentrum des Plumes, während er heute etwa 50 Kilometer weiter nordwestlich, ziemlich am Rande des Plumes liegt, weil ihn die pazifische Platte mit etwa zehn Zentimeter pro Jahr in diese Richtung transportiert.
Blei als „Fingerabdruck“
Für ihre Studie haben die Mainzer Geochemiker nun hochpräzise Messungen der Bleiisotope, die im Laufe der Jahrmillionen durch radioaktiven Zerfall entstehen, in den Laven des Mauna-Kea-Bohrlochs durchgeführt. Anschließend verglichen sie diese mit ähnlichen Messungen an Laven mehrerer anderer Hawaii-Vulkane. Natürlicher Uran- und Thorium-Zerfall im Erdinneren erzeugt nicht nur Erdwärme, sondern je nach Uran/Blei- und Thorium/Blei-Verhältnis auch unterschiedliche Isotopenhäufigkeiten in dem Tochterelement Blei.
Bleiisotope in Basalten aus Mantelplumes werden deshalb von den Geochemikern als Fingerabdrücke für subtile Unterschiede in Uran, Thorium und anderen Spurenelementgehalten in den Mantelplumes genutzt. So ist seit langem bekannt, dass der obere Erdmantel verhältnismäßig niedrige Verhältnisse von Thorium zu Uran aufweist. Mantelplumes dagegen haben höhere Thorium/Uran-Verhältnisse. Diese unterschiedlichen Thorium/Uran-Verhältnisse erzeugen unterschiedliche Verhältnisse von 208-Blei zu 206-Blei, weil Thorium zu dem Bleiisotop der Masse 208, Uran zum dem Bleiisotop der Masse 206 zerfällt.
Steigt nun ein heißer Mantelplume aus dem tiefsten Erdmantel durch etwas kühleres Gestein des oberen Mantels auf, so ist zu erwarten, dass das umgebende Gestein langsam aufgeheizt und allmählich mit nach oben genommen wird. Dadurch müsste der Plume langsam eine chemisch konzentrische Struktur annehmen, die etwa mit sehr groben Baumringen vergleichbar ist. Somit müsste das Verhältnis Thorium/Uran und deshalb auch das Verhältnis der Bleiisotope 208-Blei zu 206-Blei vom Zentrum zur Peripherie des Plumes abnehmen.
Unterschiede entdeckt
Bei ihren Untersuchungen machten die Geochemiker jedoch zwei neuartige Beobachtungen. Zum einen haben die Laven im tiefen Teil des Bohrlochs in der Tat andere Bleiisotopenverhältnisse als im oberen Teil, aber sie decken sich mit den Isotopendaten des jüngeren Vulkans Kilauea, der heute fast genau an dem Ort über dem Plume steht, an dem Mauna Kea sich vor 500.000 Jahren befand. Der Plume produziert also ortgenau isotopisch identische Laven über einen Zeitraum von einer halben Million Jahre.
Zum anderen stellten die Forscher fest, dass fast alle Laven der Vulkane, die sich auf der nordöstlichen Seite der Insel Hawaii befinden – Kilauea, Mauna Kea und Kohala – niedrigere Bleiisotop-Verhältnisse haben als die Vulkane auf der südwestlichen Seite des Plumes – Loihi, Mauna Loa, Kahoolawe, Lanai und Koolau.
Die erste Beobachtung deutet darauf hin, dass der Plume vertikal lang gestreckte „Fäden“ unterschiedlicher isotopischer Zusammensetzung enthält, die einen Durchmesser von deutlich unter 50 Kilometer und eine Länge von wahrscheinlich mehreren hundert Kilometern haben. „Der Plume gleicht also eher einer Zahnpasta der Marke „Signal“ als einem Baum mit Jahresringen“, erklärt Dr. Wafa Abouchami, Wissenschaftlerin am Institut. Wenn zwei Vulkane im Laufe ihrer Geschichte über demselben „Faden“ zu liegen kommen, produzieren sie Laven identischer Zusammensetzung. Die zweite Beobachtung zeigt, dass diese vertikalen „Fäden“ auf der linken, südwestlichen Seite des Plumes eine insgesamt andere Zusammensetzung haben als die auf der rechten, nordöstlichen Seite. Das bedeutet, dass von konzentrischen „Baumringen“ nichts zu sehen ist.
“Baumringe“ gesucht
Bleibt die Frage, wo denn nun die von der Plumetheorie postulierten konzentrischen „Baumringe“ geblieben sind. Vielleicht gibt es diese doch, aber sie liegen so weit außen in der Peripherie des Plumes, dass sie von den Vulkanen nicht durch Lavaeruptionen „beprobt“ werden, weil die äußeren Zonen des Plumes vermutlich nicht ganz die Temperaturen erreichen, die zur Aufschmelzung und deshalb zur Lavaproduktion notwendig sind.
Mantelplumes und ihre Anatomie sind für die Geoforschung besonders interessant, weil sie Gesteine aus extrem großer Tiefe, nämlich der 3000 Kilometer tiefen Untergrenze des Erdmantels, an die Oberfläche befördern. Die unterschiedlichen Gesteinszusammensetzungen dieser Tiefenregion werden durch den Plume zwar extrem in die Länge gezogen – daher die erwähnten „Fäden“ -, aber sie sind dennoch in den Lavaströmen der Hawaii-Vulkane durch ihre unterschiedlichen Isotopenverhältnisse wieder zu erkennen. Deshalb zeigt uns diese Vulkanforschung tatsächlich etwas von dem, was die Erde „im Innersten bewegt“.
(MPG, 25.04.2005 – NPO)